■ Nebensachen aus Bangkok: Regierung der Stellvertreter
Nach zwei Wochen intensiven Koalitionsverhandlungen hat Thailand nun eine neue Regierung. Premierminister Chavalit Yongchaiyudh hatte sich zuvor den Segen des Palastes geholt: König Bhumipol unterzeichnete am Freitag, auf einem royalen Sofa sitzend, die Ernennungsurkunde, während der ehemalige General vor ihm auf dem Fußboden kauerte. Gewöhnliche Sterbliche nähern sich seiner Majestät nur kriechend.
Gleichzeitig schlich Chavalits Vorgänger aus dem Amt. Er konnte einem beinahe leid tun, soviel Hohn kippte die Presse über den 21. Premierminister aus. Genüßlich beschrieb sie, wie Banharn Silapa-archa ein Foto von sich und dem amerikanischen Präsidenten mit nach Hause trug, neben dem er in der vergangenen Woche beim Gipfeltreffen in Manila stehen durfte.
Damit Banharn nicht ganz so verloren wirkte, hatten MitarbeiterInnen seines Büros zum Abschied Hunderte von Rosen gekauft. Eine Journalistin hatte ein anderes Geschenk: einen Strauß aus stachelblättrigen Bai-Khoi- Zweigen. Damit entfernen die Bauern die glitschige Haut des Aals. Eine feine Symbolik: Banharns Partei hatte den Ruf einer gewissen Wendigkeit und Schlüpfrigkeit – seine 15monatige Regierung war von heftigen Korruptionsskandalen geschüttelt.
Jetzt ist also Chavalit dran. Bei den Koalitionsverhandlungen war er auf ein unerwartetes Problem gestoßen: Alle Politiker, denen er vor und nach den Wahlen Ministerposten versprochen hatte, beanspruchten tatsächlich einen.
Was tun? Zuerst einmal stellte er die lautesten und mächtigsten Politiker zufrieden. Da war er ganz konsequent: Im thailändischen Kabinett gibt es keine einzige Frau. Dann besetzte Chavalit viele viele Vizepremier- und Vizeministerposten: Thailand hat nun fünf stellvertretende Ministerpräsidenten (für jede Koalitionspartei gab es einen) und fünf stellvertretende Innenminister, vier stellvertretende Transport- und Kommunikationsminister.
Diese Ressorts sind besonders begehrt, denn dort wird über die Vergabe lukrativer Infrastrukturprojekte an lokale und internationale Unternehmen entschieden. Eine gute Gelegenheit für die Politiker, sich bei den großzügigen Wahlkampfspendern aus der Wirtschaft erkenntlich zu zeigen und womöglich die eigenen Taschen mit Schmiergeldern zu füllen. Selbst der Bildungsminister hat drei Stellvertreter. Insgesamt sitzen also 49 Männer im Kabinett.
Als die Liste feststand, liefen die Telefondrähte zu Chavalits Residenz heiß – enttäuschte Kandidaten verlangten, ihren Namen noch mit draufzusetzen. Bis spät in die Nacht tauchten Bewerber sogar vor seiner Tür auf. In dieser Stunde zeigte sich das politische Geschick des künftigen Regierungschefs: Vertrösten und weiter hoffen lassen. Er werde ein scharfes Auge auf die neuen Minister halten, kündigte er an. Wenn sie in den nächsten drei bis sechs Monaten schlecht arbeiteten, würde er sie auswechseln.
Für die Übergangenen ist dies ein schwacher Trost. Sie wissen, daß es bis jetzt noch keine einzige gewählte Regierung geschafft hat, eine ganze Amtszeit zu überleben. Was aber, wenn es schon wieder Neuwahlen gibt, bevor sie die hohen Ausgaben für den letzten Wahlgang hereinholen konnten? Jutta Lietsch
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