Nazi-Gedenken in Lettland: Niemand stoppt die SS-Veteranen
Weder Lettland noch Europa haben dem Skandal Einhalt gebieten können. Am 16. März soll es wieder eine Parade der Waffen-SS-Veteranen durch Riga geben.
STOCKHOLM taz | Noch immer geht der Kampf um den jährlichen Aufmarsch der Waffen-SS in Lettland. „Alle Versuche, der Personen zu gedenken, die für die Waffen-SS gekämpft und mit den Nazis kollaboriert haben, sollten verurteilt werden.
Alle Versammlungen oder Märsche, die in irgendeiner Weise den Nazismus legitimieren, sollten verboten werden.“ So lautet eine Empfehlung des Europarats in seinem Ende Februar veröffentlichten Bericht der „Kommission gegen Rassismus und Intoleranz“ (ECRI) über die Situation in Lettland.
Doch dort will man dieser Aufforderung nicht folgen. Am 16. März soll es wieder die jährliche Parade der Waffen-SS-Veteranen durch die Hauptstadt Riga geben. Staatspräsident Andris Berzins bezeichnet gar jede Kritik daran als „unfair“.
Schließlich seien der Großteil der 140.000 lettischen „Legionäre“ der SS gar keine überzeugten Nazis gewesen, wendet Berzins ein, sondern sie hätten nur für die Unabhängigkeit ihres Landes kämpfen wollen. Und viele seien von den deutschen Besatzern zum Eintritt in die SS gezwungen worden. Was richtig ist. Aber warum muss man auf eine aufgezwungene SS-Uniform dann so sehr stolz sein, dass man diese alljährlich auch noch feiern will?
Diese Menschen verdienten Respekt und sie seien keine „Kriegsverbrecher“ oder „Kriminelle“, meinte Berzins außerdem Ende Februar in einem Fernsehinterview. Was die noch lebenden und mittlerweile vorwiegend über 90 Jahre alten Veteranen angeht, mag er recht haben. Jedenfalls ist nicht bekannt, dass im Bericht der „Kommission gegen Rassismus und Intoleranz“ einer von ihnen als Kriegsverbrecher verurteilt worden ist.
Nicht am Holocaust beteiligt
Streng genommen war der SS-Verband als Truppe auch nicht in den Holocaust verwickelt. Und das allein schon deshalb nicht, weil bei seiner Aufstellung 1943 die Schoah, der 70.000 der 85.000 in Lettland lebenden Juden zum Opfer gefallen sind, bereits beendet war. Doch bei der Gründung des SS-Verbands wurden viele Angehörige von Kommandos der lettischen Sicherheitspolizei in diese „Legion“ eingegliedert. Und diese Polizeieinheiten waren an Massenerschießungen und Massakern in Lettland und in Weißrussland beteiligt.
Besonders berüchtigt war das „Arjs-Kommando“ unter dem Befehl des späteren SS-Sturmbannführers und 1979 in Hamburg zu lebenslanger Haft verurteilten Viktors Arjs, dem allein die Ermordung von 26.000 Menschen vorgeworfen wurde.
Doch um diese historischen Hintergründe gehe es gar nicht, macht der Europarat bei seiner Mahnung an die Adresse Rigas klar. Es gehe darum, dass diese öffentlich sanktionierte SS-Gedenkveranstaltung riskiert, „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Antisemitismus zu fördern“. Das sei aber keine abstrakte Befürchtung. Das seit 1998 jährliche stattfindende SS-Gedenken haben lettische und ausländische Neonazis schon lange für ihre Zwecke instrumentalisiert.
Die Teilnehmerzahlen der Veranstaltung, so der Bericht der „Kommission gegen Rassismus und Intoleranz“, steigen seit Jahren an und zwei Drittel der 3.000 TeilnehmerInnen des letztjährigen Marsches waren unter 30 Jahre alt. Es beteiligten sich Parlamentsabgeordnete, unter anderem der Nationalen Allianz, die in Lettland Teil der Regierungspartei geworden ist.
Auch für dieses Jahr wurde von dieser Rechtsaußenpartei zur Teilnahme aufgerufen. Janis Reiniks, Chef der Sicherheitspolizei, erwartet, dass Rechtsextremisten aus dem Ausland, vor allem aus Lettlands Nachbarstaaten, aus Skandinavien, Polen und Deutschland an dem Marsch teilnehmen werden. Die Einreise dieser Personen wurde in der Vergangenheit nicht behindert.
Wenn es nach Abgeordneten der Nationalen Allianz geht, soll der 16. März wieder zu einem gesetzlichen Feiertag aufgewertet werden. Das war er bereits in den Jahren 1998 und 1999, bevor internationale Proteste Riga zwangen, den „Tag der Legion“ als Feiertag abzuschaffen.
Schon am 11. März wollen Neonazis in litauischen Städten marschieren. Dort nutzen sie seit einigen Jahren den Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung von 1990 für ihre Auftritte.
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