piwik no script img

NaturalismusEs geht um Euros

Kommentar von Barbara Schweizerhof

Ein Reigen aberwitziger Charaktere und ordentliches Abkotzen vor dem Happy End: Der österreichische Film "Crash Test Dummies".

Bereit für den Aufprall? Bild: Promo

D ie wenigsten sind richtig gut, und trotzdem werden sie immer wieder gemacht: Filme, die die Last der Handlung gleichmäßig auf einen nur lose miteinander verknüpften Satz von Figuren verteilen. Der Reigen-Charakter garantiert, dass eine Menge vor sich geht und doch im Grunde nichts passiert. Im wahren Le- ben soll das angeblich ja auch so sein.

"Crash Test Dummies" von Jörg Kalt ist ein würdiger Vertreter seines Genres, das bestens funktioniert, ohne ihm etwas Neues hinzuzufügen. Worin ein gewisser Reiz liegt, drückt sich doch gerade darin etwas spezifisch Österreichisches aus: das blasierte Abwinken gegenüber denen, die immer meinen, etwas "erfinden" zu müssen. Typisch für Reigen-Filme ist, dass sich die einzelnen Ereignisse um ein großes Ereignis herumranken, das letztlich demokratisch über alle Figuren hereinbricht. In "Crash Test Dummies" ist es die EU-Erweiterung. Wahrscheinlich kam das bei den Filmförderungsgremien gut an, die mögen diese Art von aktuellen Bezügen ja besonders.

Wir schreiben also April 2004, die Europäische Gemeinschaft steht kurz vor der größten Erweiterung ihrer Geschichte, als im fernen Bukarest ein junges Paar zum Busbahnhof gefahren wird. "Bringt mir Dollars mit!", schreit ihnen die Mama hinterher, und die Tochter korrigiert: "Euros, Mama, es geht um Euros."

Natürlich denkt man im ersten Augenblick, dass die Rumänen sich diese Euros als die titelgebenden "Crash Test Dummies" verdienen wollen, aber so vorhersehbar will der Film dann doch nicht sein. Ana und Nicolae sollen ein gestohlenes Auto nach Rumänien überführen, aber als sie in Wien am Treffpunkt ankommen, ist das Auto noch nicht "fertig" und ihnen wird gesagt, eine Woche später wiederzukommen. Doch das Geld geht ihnen schon nach einer Nacht aus, und wie das so ist unter jungen Paaren, die das erste Mal den Verführungen des Westens ausgesetzt sind, verstreiten sie sich, und so beginnt jeder für sich seinen kleinen Leidensweg. Die Großstadt Wien erscheint reduziert auf eine öde Passage mit Supermarkt und einer skurrilen, lose zusammenhängenden kleinen Gruppe von Menschen, deren Lebenswege sich nun in einem fort und gegen alle Wahrscheinlichkeiten immer wieder mit den beiden Rumänen kreuzen.

Da ist Jan, der Ana und Nikolae das erste Mal beobachtet, als er gerade in seinem neuen Job als Kaufhaus-Detektiv angelernt wird. Außerdem gibt es noch die Exfreundin, der er nachtrauert, und seine Mitbewohnerin Martha, die ihr Geld tatsächlich als Crash Test Dummy verdient. Hinzu kommen Dana und ihre Kollegin Sky ("Meine Eltern waren Hippies!") aus dem Reisebüro sowie Herr Schlaginhaufen, der "Nick Knatterton" lesende Kaufhausdetektiv, der so gerne mal in Urlaub gehen wollte, wenn er nur einen würdigen Vertreter fände. So unterschiedlich sie sind, befinden sich doch alle in einer ganz ähnlichen Lage des allzu erträglichen Unglücks.

Für den Zuschauer ist das nur wegen der Schauspieler erträglich, vor allem wegen einem: Simon Schwarz spielt Jan, vordergründig das Klischee des lieben Freundes, bei dem Gutmütigkeit nahtlos in Passivität übergeht. Man weiß schon, warum die Freundin nicht bei ihm bleiben wollte und selbst der eigene Hund ihn nicht respektiert.

Schwarz verleiht seinem Jan jedoch eine präzis dosierte selbstironische Nuance, gerade genug, um witzig zu sein, doch nie die Grenze zur Blasiertheit überschreitend. Sodass man wiederum ganz gut versteht, was die jeder Gutmütigkeit entwöhnte Ana an ihm findet. Aber vor dem drohenden Happy End wird natürlich reichlich gekotzt, schließlich kommt dieser Film aus Österreich.

"Crash Test Dummies". Regie: Jörg Kalt. Mit Simon Schwarz, Kathrin Resetarits, Barbara Albert u. a. Österreich 2005, 93 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!