Natur-Rundfahrten in Tempelhof: Stets reger Flugbetrieb
Die Rundfahrten über das Tempelhofer Flughafengelände sind Höhepunkt des "Tages der Stadtnatur".
Derk Ehlert ist ein begeisterungsfähiger Mann. "Die Berliner müssen sich das anschauen", ruft der Landschaftsplaner, als er auf der Start- und Landebahn des stillgelegten Flughafens Tempelhof steht. "Natur findet ja immer statt, es gibt jeden Tag ein neues Gesicht auf dem einstigen Fluggelände." Ehlert muss sich wohl keine Sorgen über mangelndes Interesse aus der Bevölkerung machen: Die naturkundlichen Bustouren über den Ex-Flughafen dürften zu den Rennern beim "Langen Tag der Stadtnatur" an diesem Wochenende werden.
Zum dritten Mal lädt die Stiftung Naturschutz Berlin zu Erkundungen im Stadtgrün ein. "Wir haben im Zuge unserer Arbeit einfach gemerkt, dass es große Defizite beim Wissen über die Natur in unserer Stadt gibt", sagt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Karola Lakenberg. Die Menschen sollten merken, dass sie nicht erst in ihr Auto steigen müssten, um Grün zu erleben und zu entdecken. Erneut dürfen Neugierige vom Samstagnachmittag an also hinter sonst verschlossene Tore von Industriebrachen schauen, im nächtlichen Grunewald Wildschweine beobachten und sich über den wachsenden Roggen auf dem einstigen Todesstreifen informieren.
Und erstmals eben die 280 Hektar große Außenfläche des Flughafengeländes kennen lernen. "Sie sehen, es herrscht weiterhin reger Flugbetrieb", sagt Ehlert mit Blick auf hunderte Mauersegler, die sich in der Luft über Trockenrasen, Wiesen und Vorwaldbestand tummeln. Die Vögel beherrschten auch während des Flugbetriebs in Tempelhof den Luftraum, genauso wie sich viele Arten am Boden heimisch fühlten. "Schon früher hatten die Vögel eher natürliche Feinde wie den Fuchs, nicht unbedingt den Menschen", sagt er. Vögel passten sich ohnehin wunderbar an das Stadtleben an: Wo es laut ist, sängen sie eben lauter.
"Auch das Kerosin im Boden und andere Schadstoffe haben offenbar nicht geschadet - sonst hätten wir nicht so eine Vielfalt hier." Der Wildtierspezialist Ehlert, im Hauptberuf bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angestellt, beobachtet seit Jahren die Entwicklung auf dem Gelände; als Experte hat er zudem das Zusammenspiel von Mensch und Tier im gesamten Stadtgebiet im Auge.
Ehlert sieht das Miteinander mit Wohlwollen. "Nicht jede Veränderung muss negativ sein", sagt er, um gleich darauf mit einem Vorurteil aufzuräumen: "Auch reine Betonflächen sind Lebensräume." Berlin ist der Stiftung Naturschutz zufolge mit mehr als 7.000 Arten die artenreichste Stadt Deutschlands. In der Metropole, wo sich stets neue Brachen auftun und Nischen für Flora und Fauna finden, ist die Vielfalt auch höher als in mancher ländlichen Gegend. Durch Flurbereinigung und monotone Bewirtschaftung haben dort viele Arten ihren Lebensraum verloren.
Wie sich Tier- und Pflanzenwelt nach Einstellung des Flugbetriebs in Tempelhof verändern, wird sich Ehlert zufolge frühestens in ein bis zwei Jahren messen lassen. Mit dem jetzigen Stand der Nachplanungen ist er ganz zufrieden. "Man muss ja immer die Belange abwägen, man kann kein Archiv hier aufstellen", sagt er - und weicht damit von der Meinung anderer Vogelkundler ab, die selbst Parkflächen als problematisch empfinden (siehe Interview unten). Zufrieden stimmt ihn auch, dass beim Landschaftsplan auf den Biotopverbund geachtet worden sei. Nur beim Gedanken an das nächste anstehende Großereignis runzelt Ehlert die Stirn: Vom 9. bis 11. Juli soll die Feuerwerksschau Pyromusicale das Flughafengelände mit Lärm und Knall erschauern lassen.
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