Nationale Alleingänge: Europa gipfelt sich durch die Krise
Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft lädt zu weiteren Krisentreffen ein. Doch nationale Alleingänge wird das nicht verhindern können.
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BRÜSSEL taz EU-Ratspräsident Mirek Topolanek hat offensichtlich genug davon, dass man ihn in der Finanzkrise für eine schwache Führungsfigur hält. Der tschechische Premier tut es nun seinem umtriebigen Vorgänger Sarkozy gleich und trommelt ein paar Sondergipfel zusammen. Am 1. März soll es ein Sondertreffen der Chefs zur Finanzstrategie geben. Und im Mai wollen die Mitgliedsstaaten in Prag mit Gewerkschaftern und Unternehmervertretern zusammenkommen, um sich Gedanken über die ständig steigenden Arbeitslosenzahlen zu machen.
Als hätte der EU-Neuling Topolanek mit der dramatischen Entwicklung an den Börsen und auf dem Arbeitsmarkt nicht genug zu tun, muss er sich auch noch ständig gegen Attacken seines eigenen Staatspräsidenten zur Wehr setzen. Václav Klaus hatte öffentlich erklärt, er halte den zusätzlichen Maigipfel in Prag für völlig überflüssig. Als Topolanek gestern in Brüssel gefragt wurde, wie er diesen Kommentar bewerte, lachte er hilflos und schaltete sein Mikrofon ab.
Lieber beschwor Topolanek zusammen mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso gestern die Vorteile, die der Gemeinsame Markt und der Euro angesichts der Krise böten. "Ohne den Euro wäre die Lage viel dramatischer", erklärte Barroso. "Da brauchen Sie nur Island mit Irland zu vergleichen." Topolanek räumte zwar ein, in einem Internetchat von den "Risiken des Euros" gesprochen zu haben. Doch damit habe er Risiken gemeint, "die von protektionistischen Maßnahmen und vom Bruch der Regeln der Eurozone" herrührten. "Die meisten Mitgliedsstaaten halten sich bei ihren wirtschaftlichen Anreizen an die Spielregeln des Gemeinsamen Marktes", ist Topolanek überzeugt.
Zu Sarkozys gescheitertem Vorstoß, Staatsbeihilfen für den angeschlagenen Autobauer Renault an die Bedingung zu knüpfen, das tschechische Renault-Werk nach Frankreich zurückzuholen, sagte er: "Wir müssen akzeptieren, dass die Mitgliedsstaaten in der Krise unterschiedliche Wege gehen." Die vielen Gipfel dienten genau dazu, Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. Barroso ergänzte, die Kommission werde genau prüfen, ob die geplanten französischen Beihilfen mit den Wettbewerbsregeln vereinbar seien. Am Donnerstagnachmittag trifft sich Barroso mit dem französischen Premier François Fillon.
Die Amerikaner hätten als Erste die Parole "Buy American!" ausgegeben, erinnerte Barroso. "Europa ist derzeit noch die bei weitem offenste Wirtschaft." Auch habe man schneller als die anderen reagiert. "Wir haben unser Konjunkturpaket schon im Dezember geschnürt. Die USA sind damit bis heute nicht fertig!" Die finanziellen Anreize beliefen sich für die Jahre 2009 und 2010 auf 600 Milliarden Euro - das entspreche 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Doch die ständigen Treffen und das zur Schau gestellte Selbstbewusstsein können nicht verdecken, dass sowohl die EU-Kommission als auch die tschechische Ratspräsidentschaft den nationalen Alleingängen ziemlich hilflos zusehen. Zwar verlangte Währungskommissar Almunia am Dienstag beim Treffen der EU-Finanzminister, bei faulen Krediten sollten die Mitgliedsstaaten nach einheitlichen Kriterien verfahren. Die Lasten sollten "angemessen" zwischen Aktionären, anderen Anteilseignern und den Steuerzahlern aufgeteilt werden. Eurogruppen-Chef Juncker sagte, man werde eine Liste von möglichen Maßnahmen vorschlagen, aus der jedes Mitgliedsland wählen könne. Die Erfahrung der letzten Wochen zeigt aber, dass sich mit dieser "offenen Koordinierung" Alleingänge wohl nicht verhindern lassen werden.
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