Namentliche Prägnanz: Brückenfür Esel
Hamburger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
Fotos, Botschaft, Flut, Mutter. Was nach Schreibübungen aus der Grundschule klingt, hat einen ernsteren Hintergrund: Es handelt sich um Namen von Bands, die uns in den kommenden Wochen den Tag versüßen. Und damit man sie nicht so schnell vergisst, haben sie sich handfeste Namen gegeben.
Schlecht aufgestellt sind in diesem Sinne Gruppen und Künstler*innen wie A Projection (kommt kunststudentenmäßig rüber), RAF Camora (schreckt wegen der gewalttätigen Assoziationen ab), Circa Waves (wirkt unentschieden), Milow (klingt wie ein Schüttelwort). So gesehen haben auch Candelilla (22. 4., Golem) danebengegriffen. Die Band hätte sich ja auch einfach Kraut nennen können. Oder Kleines Licht. Aber wer will schon so ähnlich heißen wie ein leicht überbewerteter hiesiger Pop-Intellektueller?
Also haben die vier Münchnerinnen doch einiges richtig gemach, übrigens auch in musikalischer Hinsicht. Etwas gewöhnungsbedürftig kann man zwar die Eigenart finden, deutsche mit englischer Sprache zu kombinieren. Davon abgesehen zeigt sich allerdings, dass die Gruppe spätestens mit der neuen, dritten Platte ihre Kontur soweit geschärft hat, dass sie mit ihren aufgeräumten Songs im besseren Teil des neuen deutschen Rumpelpops Einzug gehalten hat. Die Titel ihrer vergangenen Platten („Heart Mutter“ und „Camping“) stellen wohl nur zufällig Nähe zu Max Müller und seinen Bands her. Aber man kann nun auch nicht behaupten, dass diese Nähe unpassend wirkte.
Andere haben solche Eselsbrücken nicht nötig, weil sie zum einen namentliche Prägnanz aufweisen, zum anderen schon so lange dabei sind, dass für heutige Bands nur Namen wie Bürgermeister der Nacht übrig bleiben. Die Regierung (18. 4., Nachtasyl) – das klingt natürlich noch mal anders. Und überhaupt klingt Tilman Rossmy, diese außerhalb der Stadt beheimatete Keimzelle der Hamburger Schule, etwas anders als das auf ungehobelt aufpolierte Zeug dieser Tage, nämlich wirklich unbehauen. Super uncool. Deshalb gut.
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