Nahost-Konflikt: Bomben auf Gazas Helfer
Die israelische Armee hat in Gaza-Stadt ein Krankenhaus und das UN-Hauptquartier unter Beschuss genommen. Die Bemühungen um eine Waffenruhe gehen weiter.
Die israelische Armee strebt offenbar doch einen Sturz der Hamas-Regierung im Gazastreifen an. Der Beschuss israelischer Panzer setzte am gestrigen Donnerstag ein Krankenhaus teilweise in Flammen. Israelische Soldaten griffen außerdem das Hauptquartier des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina (UNRWA) an, in dem hunderte Palästinenser Schutz gesucht hatten, sowie eine Einrichtung des Roten Halbmonds. Nach israelischer Darstellung wurde zuvor aus den UN-Gebäuden geschossen. Der UNRWA-Leiter in Gaza, John Ging, der auf dem Gelände war, nannte dies "Unsinn".
Ins Visier geriet auch ein Hochhaus, in dem sich Pressebüros befinden. Der Fernsehsender Abu Dhabi TV berichtete, eine israelische Rakete sei in das Gebäude gefeuert worden. Zwei Journalisten eines TV-Senders wurden verletzt. Der israelischen Armee waren die Koordinaten des Pressegebäude bekannt.
Nach Angaben palästinensischer Ärzte kamen gestern mindestens 70 Menschen ums Leben. Die Zahl der Opfer auf palästinensischer Seite stieg auf über 1.073. Die Eskalation überschattete den Besuch des UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der zu Beratungen nach Kairo und Jerusalem reiste. Ban brachte seinen "starken Protest und Zorn" über den Beschuss des UN-Gebäudes zum Ausdruck. Die Mitarbeiter von UNRWA im Gazastreifen, die wichtigste Hilfsorganisation für die palästinensische Zivilbevölkerung, reagierten auf den Angriff mit einem Stopp ihrer Arbeit. Es wurden dabei außerdem große Mengen an Nahrungsmittelvorräten in Brand gesetzt, die an die Bevölkerung Gazas verteilt werden sollten. Mindestens drei Menschen wurden verletzt. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert gab militanten Palästinensern die Verantwortung für den israelischen Beschuss, sagte aber: "Die Folgen sind sehr traurig, und wir entschuldigen uns dafür."
Nachdem eine Feuerpause schon greifbar nahe erschienen war, hat die israelische Armee nun doch die dritte Kampfphase auf der Suche nach Hamas-Kommandanten eröffnet. Laut Berichten der "Stimme Israels" umstellten die Soldaten am Nachmittag das Haus des ehemaligen palästinensischen Außenministers Mahmud As-Sahar.
Innerhalb der israelischen Regierung bestehen tiefe Meinungsverschiedenheiten über das Ziel und den Fortgang der Militäroperation. Verteidigungsminister Ehud Barak kündigte eine Fortsetzung der Angriffe an, obschon er selbst für eine schnelle Beendigung eintritt. Er hatte von Anfang an die Erwartungen niedrig gehalten und sprach in erster Linie von Abschreckung. Die Motivation der Hamas, in Zukunft erneut Raketen auf Israel zu schießen, solle vermindert werden. Außenministerin Zipi Livni hatte bereits vor einer Woche erklärt, Israels Ziel sei, der Hamas sowohl ihre Motivation für neue Angriffe zu nehmen als auch ihre militärische Schlagfähigkeit zu treffen. Livni plädierte wie Barak für ein Ende der Operation, selbst wenn noch keine diplomatische Lösung gefunden ist. Die Außenministerin war am Morgen erneut mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zusammengetroffen, der zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage im Nahen Osten ist. Er nannte die Angriffe auf das UN-Hauptquartier "nicht akzeptabel" und plädierte dafür, dass nun verstärkt Druck auf die Konfliktparteien ausgeübt werden müsse.
Im Gegensatz zu seinen zwei Kollegen in der "Troika" will Israels Premierminister Ehud Olmert offenbar die Zeit nutzen, die ihm das Hin und Her der Verhandlungen vor allem zwischen Ägypten und der Hamas gibt, um zu prüfen, ob die Hamas nicht doch komplett zu zerschlagen sei. Dass Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln, verkompliziert die Lösungsfindung. Ägypten taucht als Vermittler, aber auch als dritte Partei mit eigenen Bedingungen auf. Knackpunkt ist die Stationierung von Sicherheitskräften der mit Hamas verfeindeten palästinensischen Fatah am Grenzübergang von Gaza nach Ägypten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland