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Nadine Conti ProvinzhauptstadtÜberkandideltes Schützenfest

Zum ersten Mal seit x Jahren war ich wieder auf dem Maschseefest. Also, in den letzten zwei Jahren ist es ja eh ausgefallen, davor war ich lange nicht in der Stadt und davor war es gerade uncool geworden, weil es praktisch nur noch Horden von brünftigen Junggesellen aus dem Umland anlockte.

Ich hatte dort tatsächlich eine Menge Spaß, was aber natürlich auch nicht so schwer ist, wenn man sich in der richtigen Gesellschaft betrinkt. Man sollte da allerdings nicht allein hingehen und auch nicht unbedingt als Paar, das Maschseefest gehört zu der Art von Veranstaltung, die tatsächlich im Rudel besser zu genießen ist.

Für den ungeübten Beobachter sieht das Ganze sowieso bloß aus wie ein etwas überkandideltes Schützenfest am See. Festzelte wechseln sich ab mit Fressbuden und ein paar Bühnen, bitte das kennt man doch auch von woanders. Das ist zwar zum Teil sehr schick designt, aber am Ende spielen sie auch hier überall „Layla“. Trotzdem macht natürlich allein die Nähe zum Wasser schon einmal vieles besser, einfach weil ein sanftes Plätschern und die Reflexion bunter Lichter auf einer Wasseroberfläche in der Dämmerung das subtile ­Signal aussenden, man hätte es irgendwie mit der schöneren Seite des Lebens und den besseren Tagen zu tun.

Zu den interessanten Dingen am Maschseefest gehört, dass sich hier noch mischt, was sich sonst aus dem Weg geht. Man erkennt das schon am Angebot (und den Preislisten) der Fressbuden: Das reicht vom bemüht exotischen Menü für den Gourmet im durchdesignten Festzelt über den überteuerten Snack für den Hipster bis hin zu den üblichen kulinarischen Untiefen aus triefenden Crêpes, fettigen Pizzen und rußigen Bratwürsten. Die Preisspanne bei den Getränken ist ähnlich, die soziale und altersmäßige Schichtung der Gäste auch.

Es gibt Zelte, die kann man nicht betreten, ohne gründlich abgecheckt zu werden. Meist von Personen, die sich sehr bemühen, alterslos zu erscheinen und bei denen einem sofort das Wort „Schickeria“ einfällt. Und genauso aus der Zeit gefallen, Monaco-Franze-münchnerisch und rührend altmodisch wirkt ihre Attitüde.

Aber auf dem Maschseefest legt ja auch immer noch Bodo Linnemann auf – mit 81. Der hat seine legendäre Mini-Disko „Casa Blanca“ zwar schon vor sechs Jahren geschlossen, davor und danach aber so eifrig an der eigenen Legendenbildung gestrickt, dass ihm bis heute keiner das Wasser reichen kann.

Immerhin: Keith Richards! Grace Jones! Und noch ganz viele andere sollen zu seinen Gästen gehört haben, jedenfalls wird er nicht müde, das zu erzählen. Früher kündeten im Casa auch Fotos an der Wand davon. Er sieht erstaunlich gut aus für das jahrzehntelange Nachtleben und all die Exzesse, die er in seinen Büchern beschreibt. So gut, dass wir uns in einem betrunkenen Anfall von hässlichem Kulturpessimismus fragen, ob es das wohl in Zukunft noch geben wird, solche Originale. Oder ob etwa diese konservativen Knilche recht haben, die meinen, bald gäbe es ja nur noch vegan lebende Antialkoholiker, die sich den ganzen Tag damit beschäftigen, höchst achtsam frisch entdeckte Empfindsamkeiten zu pflegen.

Aber das ist natürlich Quatsch, schon zwei Ecken weiter kündet kotzendes Jungvolk davon, dass der menschenalte Hang zum Rausch so schnell nicht abzuschütteln ist. Es wechseln bloß die Substanzen und die Begleitmusik. Und den Bodo kannte in dem Alter ja auch noch keine Sau.

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