Sanssouci: Nachschlag
■ Soap-opera live: "hidden shakespeare" im Cafe Schalotte
Harald Mack, Thorsten Neelmeyer, Mignon Remé, Kirsten Sprick, Sinta Tamsjadi und Steffen Lau können bestimmt Theater spielen. Aber sie tun es nicht, wenn sie auf der Bühne stehen. Statt dessen sind sie Erfüllungsgehilfen von aufgekratzten Zuschauern, Sklaven des Publikumswunsches. Die seltsamen Sechs haben sich den Namen „hidden shakespeare“ gegeben. Warum, das wissen sie selbst nicht mehr so genau. Mit Shakespeare hat ihr Tun nichts zu tun, und verstecken tun sie sich auch nicht. Im Gegenteil: Sie stehen in T-Shirts und schlecht sitzenden Bundfaltenhosen vor einem Publikum, das für anderthalb Stunden die Regie übernehmen wird und schon nach fünf Minuten tobt.
Das Theater mit dem Joystick funktioniert so, daß die seltsamen Sechs fragen: „Es ist sieben Uhr früh, jemand klingelt an ihrer Wohnungstür – Wer könnte das sein?“ Ein Scherzkeks aus dem Publikum: Hannelore Kohl. Das gefällt den Berufs-Improvisatoren. Sie spinnen ihren Slapstick weiter. Frage: „Wo wären Sie jetzt gerne, wenn Sie jetzt wo wären?“ „In der Badewanne“, kreischt eine Badenserin aus Reihe vier. So kriegt das Sextett der „hidden shakespeare“ seine Ingredienzen für eine abenteuerliche Geschichte, die sie erzählen, simultan grob spielen – und die man nach zwei Sekunden wieder vergißt. Eine Posse über Hannelore Kohl, die bei einem Nachbarn klingelt und mit einem Mixer sein Schaumbad aufquirlt. Plötzlich klingelt es wieder, und Helmut ertappt sie alle im Fenjala. Was haben wir gelacht!
Das Prinzip von „hidden shakespeare“ funktioniert natürlich nur, wenn es Futter von fanatisierten Fans vorgesetzt bekommt. Und weil wir es gewohnt sind, Herr und Frau übers eigene Programm zu sein – zapp, zapp –, ist die Motivationsschwelle zum Mitmachen denkbar gering. Nach dem fünften Gagsplitter allerdings hat der optische Quickie seinen Reiz verloren. Denn das Publikum will immer mehr, immer abstrusere Geschichten, und wir werden Zeugen hunderter angebrochener Szenen, die nie ein Ende finden. Theater von allen, blitzschnell realisiert: Soap- opera live. Aber bei aller aufrichtigen Miesepetrigkeit – auch ich habe gelacht. Dreimal, bis die Tränen liefen. Immer dann, wenn die seltsamen Sechs über sich selbst lachen mußten. Thorsten Schmitz
Bis 15.10., 20 Uhr, Café Schalotte, Behaimstr.22, Charlottenburg
Thorsten Neelmeyer und Kirsten Sprick Foto: Marcus Lieberenz
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