■ Nachschlag: Charleroi/Danses – Plan K visieren ein recht bewegliches Ziel an
Am Anfang ist der Fuß. Der Fuß, doziert die freundliche Stimme aus dem Off, ist ein Wunderwerk der Evolution, zart und mit der Zunge zu verwöhnen und gleichzeitig fähig, ein ungeheures Gewicht auf nur zwei Punkten zu balancieren. Der springende Fuß ist Ausdruck der menschlichen Sehnsucht nach dem Himmel. Auf der Videoleinwand sieht man tanzende Füße, von unten durch die Glasscheibe aufgenommen. Drehung, Sprung, Landung: quietsch und platsch. Ein schöner Prolog – zu einem enttäuschenden Abend.
Dabei waren die Füße von unten nicht die einzige nette Idee, die der belgische Choreograph Frédérik Flamand im Hebbel-Theater zeigte. Sein Ziel ist die Verbindung von elektronischen Medien, Architektur, bildender Kunst und Tanz. Der Clou an seiner Bühne ist der riesige Spiegel, der über der Bühne hängt. Wird er schräg gestellt, so erscheinen die Tänzerinnen doppelt. Winden sie sich über den Bühnenboden, so sieht es aus, als krabbelten sie wie Fliegen die Wand hoch; Worte und Texte erscheinen gleichzeitig mit dem Tänzer auf dem Spiegel, und über Videoprojektion wird das Solo zum Duett mit dem eigenen Abbild. Dazwischen gibt es Videospots: Probleme mit der sexuellen Identität? Nehmen Sie „Gender-all“!
Schade nur, daß die Choreographien selbst nur pseudowichtig sind. „Postmoderner Körper, Schizophrenie, technologische Komplexität, Geschwindigkeit, multiple Identität“, hustet der Programmzettel. Um innere Zerrissenheit zu demonstrieren, wird heftig gezuckt und gezittert. Beim Thema Sex bekommt man einen sich windenden Typ in geschmacklosem Tanga vorgesetzt, eskortiert von einer steifen Tänzerin in klassischer Pose: Spitzentanz als sexuelle Perversion. Aus unerfindlichen Gründen tragen dann alle riesige Halskrausen und machen auf Menuett. Und unerträglich lange müssen sich die Akteure an gestreifte Stangen andocken, die wohl die Beschränkungen durch die Gesellschaft symbolisieren und die eh schon unsicheren Tänzer und Tänzerinnen endgültig aus dem Rhythmus bringen. Das Bewegungsrepertoire ist extrem einfallslos; Choreographisch und technisch wird auf Jazz-Dance-Meisterschaften wahrscheinlich mehr geboten. Elke Buhr
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