■ Nachschlag: Oliver Bukowski inszeniert „Nichts Schöneres“ im theater 89
Da ist Mechthild, ungefähr 50, Leichenwäschertochter und Bewohnerin irgendeines Hochhauses. Mechthild Magda Huschke, geborene Walter. Sie lebt vor sich hin, ein einsames und leeres Leben. Der Mann ist weg, und per Kontaktanzeige hat sie einen neuen kennengelernt. Der letzte Versuch war das, der „blanken, ungefickten Einsamkeit“, wie es einmal im Stück so griffig auf den Punkt gebracht wird, zu entgehen. Das scheint auch kein Traummann gewesen zu sein, aber den liebt sie jetzt. Weil er sie wie einen Menschen behandelt hat. Ihr ein Gedicht schrieb, das sie zwar blöde findet, aber eigentlich doch ganz wunderbar. Auf einmal blüht das Leben noch mal auf in ihr, wie in den billigen Schlagern über die Liebe.
Das Stück beginnt, als der Neue gerade gegangen ist, nach heftiger Liebesaktivität. Mechthild ist noch ganz voll davon, und in schönster Unterschichtmundart blättert sie nun ihr Leben vor uns auf. Ziemlich lakonisch und mit reichlich Mutterwitz. So leicht berührt sie nichts. Nicht mal das eigene Unglück, in das man langsam, aber sicher Einblick kriegt. Den Dieter, ihren Ehemann, hat sie ermordet, weil er sie mißhandelte und mal auch an die Freunde verschachert hat. Im Gefängnis war sie deshalb, und als sie es dort nicht aushielt, biß sie einer Mitgefangenen die Nase ab und kam ins Irrenhaus, was auch kein Zuckerschlecken war. „Mir schafft nüscht mehr“, sagt sie also. Nichts, bloß die Liebe eben, und zwar gründlich. Zum Schluß hat sie sich dann fast aus dem Fenster gestürzt.
Im theater 89, wo vor fast fünf Jahren Oliver Bukowskis Hardcore-Schwank „Londn–L.Ä.–Lübbenau“ erfolgreich uraufgeführt wurde, ist jetzt sein jüngstes Werk zu sehen, „Nichts Schöneres“, in einer Inszenierung des Autors selbst – seiner allerersten. Mit Christine Harbort als Mechthild. Doch so genau, wie Bukowski den Leuten aufs Maul schaut, so raffiniert er seine Handlungen baut – vom Theatermachen hat er sichtlich keine Ahnung. Jedenfalls nicht, wenn es sich um eigene Stücke handelt, wollen wir strafmildernd hinzufügen. Christine Harbort spielt die Mechthild nicht, sie macht sie nach. Den Dialekt beherrscht sie auch nicht. Ständig irgendwelche aufgesetzten Posen: da wird mit dem Hintern gewackelt, gewinkt und gewedelt, der goldene Bettüberwurf um die Schultern gehängt. Tische gerückt und Münder verzogen. Das donnernde Leben, das in Bukowskis Stücken aus jeder Zeile quillt, reicht hier nicht mal für einen Theaterdonner. Esther Slevogt
„Nichts Schöneres“. Regie: Oliver Bukowski. Weitere Vorstellungen: 27. bis 29.3. und 3. bis 5.4. im Dock 11, Kastanienallee 79, Prenzlauer Berg
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