■ Nachschlag: Auftrag erfüllt: Morcheeba mit Gefühls-TripHop im Pfefferberg
So recht mochte man seinen Augen zuerst nicht trauen, als am Montag abend die britische Band Morcheeba im Pfefferberg ihre Aufwartung machte. Da zog sich doch eine lange Menschenschlange den Berg an der Schönhauser Allee hoch, da begehrten doch tatsächlich mehr Leute Einlaß, als der Pfefferberg Plätze faßt. Und das, obwohl Massive Attack ein paar Tage vorher in der Stadt waren (ganz nett war das, wie man so hörte, aber ohne den „letzten Kick“). Und das, obwohl Morcheeba bislang gemeinhin in die zweite Reihe der TripHop-Garde gehörten und zumeist mit dem Attribut „epigonal“ bedacht wurden, trotz veritabler Hits wie „Trigger Hippie“ und „The Music That We Hear“. Mit ihrem zweiten Album „Big Calm“ jedoch scheint die Band sich freigeschwommen zuhaben, vor allem von den berufsmäßigen Kritikern, und vielerorts war an diesem Abend die Rede von „betörend“, „zu Tränen rührend“ und „Sommermusik“. Mit leuchtend rotem Dreadlock-Arrangement auf dem Kopf sang Skye Edwards im ersten Song „the sun is shining, livin' free“, und die Gebrüder Godfrey strengten sich an Gitarre und Baß an, den Verdacht zu widerlegen, ihre Musik klinge am besten per Tastendruck aus der Konserve. Mit Zigarette im Mund machten sie einen auf Joe Satriani oder John Lee Hooker. Die Drums und Keyboards blieben dezent im Hintergrund, was angenehm war, und nur der mitgebrachte Scratcher, der gut auch als Suicidal Tendencies- Roadie hätte durchgehen können, mochte sich mit der zweiten Geige nicht anfreunden und befeuerte das Publikum mit seinen Einlagen. Und mit der Äußerung, in Hamburg sei es viel lauter und fröhlicher zugegangen, hatte auch Edwards das Publikum gleich auf ihrer Seite (so was läßt schließlich kein Berliner auf sich sitzen), auch wenn das Konzert einmal mehr bestätigte: Morcheeba-Musik ist zum gemeinsamen Träumen da, für frisch verliebte Pärchen.
Diese wiegten sich im Takt, in der bekannt ekligen Stellung: kleine Frau vorne, großer Mann dahinter, und sangen freudestrahlend die Zeilen „I'm so glad to have you, it's getting worth“ mit. Als Edwards zur Liebesschnulze „Fear And Love“ empfahl, sich so richtig nahezukommen, da hatten Morcheeba ihren Auftrag schon lange erfüllt. Den „letzten Kick“ lösten natürlich auch sie nicht aus, doch darauf ist ihre Musik auch nicht angelegt in ihrem gemächlich-steten Fließen. Die richtigen Höhepunkte durften sich dann alle für die eigenen vier Wände aufsparen. Gerrit Bartels
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen