■ Nachschlag: Bob trifft auf Bob (Wilson) auf der Bühne des Hebbel-Theaters
Theaterkenner, die was auf sich halten, finden Robert Wilson ziemlich out. Sie gehen jetzt lieber in die oberflächlichen neuen Stücke aus England und lauschen voller Ehrfurcht vor dem Genossen Trend, wie oft pro Minute sich das Wort „Fuck“ auf der Bühne gebrauchen läßt. So war das Hebbel-Theater am Donnerstag ziemlich leer, als das Saratoga International Theater Institut aus New York mit einem Abend über Robert Wilson zu Gast war. Wilson, dem Meister (und Mystiker) des Oberflächlichen schlechthin. Die Regisseurin Anne Bogart hat zusammen mit dem Schriftsteller Jocelyn Clark aus Hunderten von Wilson-Interviews der letzten dreißig Jahre ein Theaterstück für einen Schauspieler gemacht. „Bob“ heißt es und wird jetzt im Rahmen der Berliner Festwochen gezeigt.
Bob wird gespielt von dem erstaunlichen Will Bond, der schon lange vor Beginn des Abends in gefrorener Wilson-Pose auf der Bühne sitzt. Irgendwann steht er auf und ist ganz der joviale Global Player des Theaters. Dann das autistische Kind aus der amerikanischen Provinz, das auf den großen Bühnen Europas inszeniert, als sei es noch immer irgendein Sandkasten im texanischen Waco. Oder sein eigener kongenialer Interpret. Allerweltsgeschichten im Wechsel mit Kindheitserinnerung und Kunsttheorie.
Will Bond spielt Theater, als ginge es um sein Leben. Der Schweiß tropft auf sein graues Jackett, obwohl er sich kaum bewegt. Eingerahmt von zwei Wänden aus Scheinwerfern, spielt er wie hypnotisiert: Er redet, flüstert, schreit und bäumt sich auf. Macht ein paar minimalistische Bewegungen, die aus Wilson-Inszenierungen stammen oder hätten stammen können. Schiebt einen Tisch über die Bühne, setzt sich darauf, erstarrt in einer Pose. Dann lacht er und ist wieder ganz normal. Selbst wen Wilsons Theater nicht oder nicht mehr interessiert, sieht plötzlich wieder hin. Im Laufe der anderthalb Stunden, die der Abend dauert, verschmilzt der sicher 20 Jahre jüngere Will Bond mit dem Bild Robert Wilsons. Es ist, als sei der so behäbig und wie eine aufgezogene Sprechpuppe wirkende wirkliche Wilson plötzlich illuminiert. Anne Bogart hat ihn für das Theater neu erfunden. Man hätte dem Abend mehr Zuschauer gewünscht. Esther Slevogt
Bob, Konzept und Regie: Anne Bogart. Noch einmal heute, 20 Uhr im Hebbel-Theater, Stresemannstr. 29, Kreuzberg
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