■ Nachschlag: „Die Geschichte von Charles und Diana“: Wunderliches bei den Briten
Als wir das Theater verlassen und uns noch mal sehnsüchtig umdrehen, fällt uns eine englische Telefonzelle ins Auge. Drinnen auf einem Samtkissen ein goldenes Telefon, darüber ein Schild mit der Aufschrift „Camilla“. Das Gesamtkunstwerk ist perfekt. Für die Koproduktion „Love upon the Throne“ der Berliner Festspiele mit dem Maxim Gorki Theater hat sich das klobige Haus des Deutschen Sports auf dem Olympiagelände, früher Hauptquartier der britischen Truppen, in eine Zauberkiste verwandelt.
Auf dem Weg von der Ehrenhalle durch den Pfeilersaal in die zentrale Arena steckt in jeder Nische eine kleine oder große Überraschung. Britisch korrekt gekleidete Saaldiener leiten die Besucher, die an Scones und dreieckigen Toastschnitten kauen, fürsorglich durch die Stationen. Eine Märchentante erzählt von der letzten Märchenprinzessin, auf Videos laufen verfremdete Zusammenschnitte aus dem Leben der königlichen Familie. Im Schatten eines Gummibaums kann man es sich vor Dianas Lieblings-Soap gemütlich machen, ein paar Meter weiter gibt ein Paparazzo ein Interview. Dann blickt man tief hinab auf ein Streichquartett, weltentrückt und ganz verloren auf der breiten Kunstrasenfläche der Arena. Sie spielen den langsamen Satz aus Schuberts „Der Tod und das Mädchen“.
Was könnte dem Popstar Diana, deren ganzes Leben zur Inszenierung wurde, eher gerecht werden als ein Gesamtkunstwerk? Ein Dudelsackpfeifer führt zum „Royal National Theatre of Brent“ – einem Zwei-Mann-Ensemble aus einem der schäbigeren Londoner Stadtteile. John Ramm und der Sitcom-Autor Patrick Barlow spielen die Geschichte von Charles und Di etwa so wie die Handwerker im „Sommernachtstraum“ ihre Theatereinlage – mit hinreißend markierter Talentlosigkeit und in einem Kauderwelsch aus pompöser Redundanz und Umgangssprache. Wer den Machtkampf der beiden sieht, möchte vor Begeisterung sprühen wie ein Goldregen und hochgehen wie eine Rakete. Genau das tun die Zuschauer auch und machen das sehr professionell. Irgendwann ist es spät und der wunderliche Abend vorbei. Leider. Miriam Hoffmeyer
Bis 4.10., 20 Uhr, Brit. Hauptquartier, Adlerplatz/Olympiagelände
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen