Nachruf: Unsere Kollegin Meike Jansen ist tot
Sie war taz-Redakteurin, Kuratorin, Kunstliebhaberin, streitbare Freundin. Sie liebte Blumen, Galerien und Klubs – und prägte die Indie-Szene Berlins.
„Darum kümmert sich Meike.“ Darum auch? Was hat sie nicht alles getan für diese Zeitung! „Schreib ihr eine Mail!“ An diese Adresse? Wirklich? Unter ich@taz.de war sie zu erreichen. Was mag das für ein Mensch sein, der sich eine solche Mailadresse anlegen lässt, mögen sich viele gefragt haben, als sie Meike das erste Mal angeschrieben haben.
Sie war ein besonderer Mensch. Das machen sich all jene Kolleginnen und Kollegen an dem Tag, an dem die Nachricht von ihrem frühen Tod in der Redaktion die Runde macht, noch einmal bewusst und erinnern sich an die Begegnungen mit ihr.
Seit 2002 hat sie für die taz gearbeitet. Sie war Redakteurin des taz.plan, der Berliner Veranstaltungsseiten. Deren Umbau zu einem veritablen Stadtmagazin, das jeden Donnerstag erscheint, hat sie mehr als nur mitgestaltet. Meike war dabei die Frau für die Kunst. „Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um“ hieß das kleine Format für die große Kunst, das sie bespielt hat, lange. Am Ende nannte sich die Spalte „Kunst“. Sie war Meikes Spielwiese.
Nach Feierabend. Endlich einmal Zeit, sich wieder einmal länger mit ihr zu unterhalten? „Nö!“. Man hätte es sich denken können. Wie oft hat sie diesen Satz wohl gesagt? „Ich muss noch zu einer Eröffnung.“
Ihrem Gesicht war anzusehen, was sie von der Veranstaltung hielt, zu der sie sich gleich aufmachen würde. War es eine dieser Vernissagen, für sie den Ausdruck „champagnergeschwängertes Glamourevent“ geprägt hat, oder handelte sich um Kunst? Wer sich selbst kein Urteil zutraute, konnte sich an ihr orientieren. Meike war Kunst.
Ihr Schreibtisch: eine Installation
Man konnte das sehen. Wenn sie an ihrem Schreibtisch im vierten Stock des taz-Gebäudes in der Rudi-Dutschke-Straße saß, mit ihren sehr großen Kopfhörern auf den Ohren und Texte redigierte, wirkte sie wie eine Installation. Dieses Bild ist nicht wegzudenken, auch wenn sie nun nie mehr an ihrem Schreibtisch setzen wird. Der wirkte nicht selten wie ein Stillleben. Sie umgab sich gern mit ausgefallenen Blumen. Der Schmuck wird der Redaktion fehlen.
Fast alle in der Redaktion, im Verlag, haben eine ganz eigene Erinnerung an sie. Sie war es, die dafür gesorgt hat, dass die großen taz-Veranstaltungen, wie das taz.lab, überhaupt funktioniert haben.
Und auch bei den kleineren taz-Events war es nicht selten sie, die die Veranstaltungsorte ausgewählt hat, die wusste, wie das Catering für Künstler oder Diskussionsteilneher auszusehen hat, wer wo wann welches Mikrofon braucht und wann sich wer wo einzufinden hatte. Sie war die Eventmanagerin der taz.
„Geht nicht!“, „Nö“, „Das kannst du vergessen!“ Man konnte sich gut mit ihr streiten, wenn man anderer Meinung war, was die Organisation einer Veranstaltung betraf. Es waren schöne Streite, weil allen klar war, dass man es da mit einer zu tun hat, die wusste, wie es läuft.
Die transmediale Meike
Das wusste man nicht nur in der taz zu schätzen. Sie kuratierte und organisierte in Berlin, im In- und Ausland so manche Veranstaltung, über die in anderen Medien nur das Beste zu lesen war. Kunst natürlich, Musik, transmediale Events. So hat ihr Arbeitsleben begonnen.
Sie ist 1968 geboren. Schon als 19-Jährige organisierte sie – damals noch in Ostwestfalen – Konzerte für die Indie-Szene. In Bielefeld erinnert man sich bis heute an sie. In Berlin gibt es nur wenig kulturelle Orte, an denen man sie nicht erkannt hätte. Sie hat für Galerien und ihre Kunst gelebt, für die Klubs und deren Musik, und ganz viel davon hat sie der taz gegeben. Wie viel das war, werden wir wohl erst in den nächsten Wochen spüren.
Wie sie das geschafft hat, obwohl sie an einer seltenen chronischen Krankheit litt, das haben sich all diejenigen immer gefragt, die von ihrer Erkankung wussten. Ohne Medikamente konnte sie schon lange nicht mehr leben. Und doch war ihr Zusammenbruch Mitte März ein Schock auch für ihre besten Freunde. Von dem Multiorganversagen, das diagnostiziert wurde, sollte sie sich nicht mehr erholen.
Zwölf Freunde waren bei ihr, als am Samstag die lebenserhaltenden Maßnahmen in der Berliner Charité beendet wurden. Verwandte, die sich um Meike hätten kümmern können, gab es da schon lange nicht mehr. Es waren ihre Freunde, die sie aus dem Leben verabschiedet haben, die Menschen, mit denen sie über Kunst gestritten, sich über die richtigen Fußballergebnisse gefreut hat, mit denen sie manchmal einfach nur stundenlang spazieren gegangen ist, ihre wahren Angehörigen.
So viel hatte sie sich für dieses Jahr vorgenommen. „Mein Vorsatz für 2015? Noch mehr Kunst schauen!“ Das schrieb sie im Januar. Wir hätten sie so gerne dabei begleitet.