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■ NachrufFritz Cremer, Künstler mit Skrupeln

Er war der prominenteste Bildhauer der Deutschen Demokratischen Republik: Fritz Cremer, der am Mittwoch mit 86 Jahren starb. Von den Museen und Kunstvereinen der neuen Bundesrepublik ignoriert, war von Fritz Cremer in den letzten Jahren nichts mehr zu hören und fast nichts mehr zu sehen gewesen.

Mit zwanzig war er Mitglied der kommunistischen Arbeiterjugend, mit 23 trat er der KPD bei. In Berlin, wo er bei Wilhelm Gerstel an der Hochschule für freie und angewandte Kunst sein Handwerk gründlich lernte, war er Mitbegründer des Roten Studentenbundes. 1933 protestierte er gegen den Ausschluß von Käthe Kollwitz und Heinrich Mann aus der Akademie der Künste. Seine Bronzeskulptur „Gestapo“, die zeigen sollte, „wie sich ein Kind in den Rockfalten seiner Mutter vor der faschistischen Barbarei zu verbergen sucht“, brachte ihm fast KZ- Haft ein. Aber von seinen Reisen nach Frankreich, England und Italien kehrte er immer wieder nach Deutschland zurück. Die „Gestapo“-Skulptur, 1937 unter dem Titel „Trauernde Frauen“ eingereicht, brachte ihm den preußischen Staatspreis. Von seinem Kriegsdienst in Griechenland wurde Cremer 1942 für einen längeren Studienaufenthalt in Rom längerfristig beurlaubt. 1946 wurde er aus jugoslawischer Gefangenschaft entlassen, wurde im Oktober des gleichen Jahres Professor und Leiter der Bildhauerabteilung an der Akademie für angewandte Kunst in Wien und zog 1950 nach Ost-Berlin. Dort wurde er sofort Mitglied der Akademie der Künste. Er blieb es auch nach 1990.

Fritz Cremer war ein Repräsentant der DDR, dreimaliger Träger des Nationalpreises, wurde ausgezeichnet mit der J.-R.-Becher-Medaille in Gold und als Held der Arbeit gekürt – und war dennoch der kommunistische Künstler mit Skrupeln. Schon Ende der fünfziger Jahre warnte er davor, „vielerlei Erkenntnisstufen in Richtung auf die sozialistische Kunst“ auf einen ideologischen Standard zu reduzieren. Stilistisch in der Nähe von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, war Cremer kein Propagandist, sondern in einer eigentlich klerikalen Tradition auf die Darstellung von Leiden kapriziert. Von ihm stammen Mahnmale in ehemaligen KZs, auch Auschwitz, und selbst sein schwerttragender Spanienkämpfer (in Berlin) war in expressionistische Schräglage gebracht; der Kampf immer auch ein Kampf gegen sich selbst. Seine gemarterten Figuren waren nie ganz Gebrochene, Gedemütigte, sondern Menschen, die sich auf ihren Stolz, ihre Integrität, ihren Auftrag besinnen. Das retardierende Moment seiner Figuren sicherte ihm seinen Platz als Künstler – Cremer war auch, aber nie vor allem Funktionär, wie etwa sein Malerkollege Willi Sitte.

Nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 war Fritz Cremer der einzige bildende Künstler, der den spektakulären Protestbrief unterzeichnete. Dann aber zog er seine Unterschrift zurück und verfaßte mit anderen eine separate Erklärung. Der Brief verkörpert noch einmal den Zwiespalt, in dem ein früher (und zwischenzeitlich „gestrauchelter“) Kommunist sich im Honecker-Staat befand: „Vielleicht könnte man die getroffene Maßnahme noch einmal überdenken“, schrieben die Künstler, und machten Biermann dennoch indirekt verantwortlich: „Wo wir Fehler machen, sollen auch Dichter und Sänger es uns sagen. Offen ins Gesicht, aber in unseres.“ Nach dem Ende des Staates, mit dem Cremer sich kritisch identifizierte, könnte seine Skulptur als Erbe seines geringsten Konsenses gelesen werden, des viel beschworenen „Humanismus“, was auch immer das war. uez

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