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NachrufUnbeirrbar und pingelig

■ Der ehemalige „Tagespiegel“-Lokalchef Günter Matthes starb mit 74 Jahren. Er glaubte an Recht und Ordnung

Er war ein Mann des langen Atems. Fast 33 Jahre lang oder nahezu zehntausend Mal hat Günter Matthes im Tagesspiegel jeden Tag „am Rande bemerkt“, wie es um die Stadt steht. Seine täglichen Kommentare machten ihn zu einer Institution, dessen Äußerungen in der Senatskanzlei genauestens verfolgt wurden – besonders wegen der von ihm immer wieder von den Machteliten eingeforderten preußischen Korrektheit und Lauterkeit. Das waren Richtschnüre für seine journalistische Arbeit, die er genauso unbeirrbar und pingelig verfolgte, wie er seinen Redakteuren manchmal oberlehrerhaft die Feinheiten der deutschen Sprache einbleute.

Der vierundsiebzig Jahre alt gewordene Matthes war ein liberaler Konservativer, der sich seine Unabhängigkeit gegenüber den Parteien bewahrte. Das bekam die abgewirtschaftete SPD Ende der siebziger Jahre zu spüren, als die Partei nach jahrzehntelanger Regierungsverantwortung von Affäre zu Affäre taumelte. Da entzog Matthes den Sozialdemokraten nach dem Skandal um den Bauunternehmer Garski die Gunst und unterstützte demonstrativ die CDU bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Frühjahr 1981. Die siegreichen Christdemokraten und insbesondere der nach Weizsäckers Wahl zum Bundespräsidenten als Regierender Bürgermeister nachgerückte Eberhard Diepgen verspielten diesen Kredit wenige Jahre später im Antes-Skandal.

Zynismus war ihm fremd. Sein Glaube an Recht und Ordnung ließ Matthes altmodisch erscheinen gegenüber den von der Verkommenheit des kapitalistischen Systems überzeugten Linken. Seine kleinteilige Beharrlichkeit, mit der Matthes einklagte, daß Regieren vor allem Ehrlichkeit voraussetzt, war oft genug eindrucksvoller als jene linken Journalisten, die nichts anderes als korrupte Politiker erwarten. Man spürte bei Matthes fast ein Erstaunen über im Antes-Skandal sichtbar werdende Käuflichkeit.

Der Antes-Skandal hat fürderhin die Abneigung Matthes' gegenüber den knapp seinem Sturz entgangenen Diepgen bestimmt. Auch zur ehemaligen Alternativen Liste hatte Matthes immer ein sehr distanziertes Verhältnis; dazu war er zu sehr dem Koordinaten der Frontstadt und dem Kalten Krieg verhaftet. Es war aber typisch für ihn, daß er der rot-grünen Koalition von 1989 zumindest anfänglich unvoreingenommen eine Chance zugestand.

Sein tägliches Schwimmpensum hielt der 1990 in Pension gegangene Günter Matthes ebenso eisern durch wie seine Randspalte. Am Dienstag erlitt er beim Schwimmen einen Herzschlag. Gerd Nowakowski

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