Nachruf: Magic Menke
■ Eine Ode auf den Post-Kantinenfraß
Über Bremen hört und liest man als quasi-halb-Butenbremer in der weiten Welt nur die düstersten Nachrichten: Werder auf dem Abstiegsplatz, der Vulkan vor der Pleite. Und nun auch noch das: Menke stirbt! Was weder Rinderwahnsinn noch Schweinepest oder Hühner-Pohlmann geschafft haben, die Post bringt es fertig. Bleib fit mit Menke, aus und vorbei.
Die Postkantine am Hauptbahnhof: Fixstern am mittäglichen Gourmandhimmel, Futtern wie bei Muttern zwischen Plastikpalmen und Schalterbediensteten. Die sinnlichen Eindrücke haben sich tief in die Hirnrinde eingegraben: Der Beamtenfahrstuhl mit verdauungskompatibler Beschleunigung. Das ewige Rätsel um die Kellergewölbe der Post. Der Blick auf das Schild „Eilzustellungen“, unter dem die Postfahrräder parkten. Die Toiletten mit 110 Grad heißem Wasser aus dem Hahn. Die freundlichen „Maaaahlzeit“ der PostlerInnen. Der atemberaubende Chlorgeruch aus der Spülküche, der die Geschmacksnerven für das Mahl reinigte. Als Beilagen auch Bratkartoffeln erhältlich. Ach schade, heute mal kein Kohl und Pinkel. Die Kollegen als Statikkünstler beim Auftürmen der Salathaufen. Das Gemüse so lange gekocht, bis man sicher sein konnte, daß es wirklich tot ist. Auf dem Teller Kalorien für einen harten Tag. Vegetarisches auf dem Teller wurde von allen Seiten mitleidig („gute Besserung auch!“) betrachtet.
Warum Menke? Ganz einfach: Schließlich bekomme ich nach der schmerzhaften Trennung von Menke und der taz Bremen jeden Tag in einer schicken, aber auch micken taz-„Kantine“ namens „Sale e Tabacchi“ von pomadisierten Fremdsprachlern so dermaßen Italienisches vorgesetzt, daß ich unter dem Tisch im Wörterbuch nachsehe, ob Fusilli nicht doch Fusseln heißt. Und es ist eng und rauchig und laut und gedrängt und überall schöne und kluge Menschen in feinem Zwirn, die Wichtiges reden. Wie in Italien halt, aber nichts zum Bauch vollschlagen und die Seele eine halbe Stunde baumeln lassen.
Die Post war ein Ort, wo Männer noch Männer waren. Bei Menke sind die besten Ideen, die witzigsten Artikel, die nettesten Gespräche entstanden. Hier gingen nicht nur Schweinewürste, Nudelberge und Quadrathai mit Matsche über den Tresen: Am taz-Tisch herrschte Kommunikation pur.
Die Post war eine Art zweite Redaktionskonferenz und eine Art Nachhilfeunterricht für Anfänger im Bremischen Filz und einfach eine Art für sich. Hätte es Menke nicht gegeben, man hätte ihn erfinden müssen.
Bernhard Pötter, kulina-risch strafversetzt nach Berlin
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