Nachruf Guru Sai Baba: Shiva, Shakti und Jesus Christus

Mit Sai Baba starb einer der weltweit einflussreichsten indischen Gurus. Zu seiner Bestattung am Dienstag werden mehrere hunderttausend Anhänger erwartet.

Sai Babas Lehre zeichnete sich durch große Toleranz gegenüber allen Religionen aus. Bild: dapd

"Bhagwan Sri Sathya Sai Baba ist physisch nicht mehr unter uns. Er hat seinen irdischen Körper am 24. April um 7.40 Uhr wegen kardiorespiratorischen Versagens verlassen." So verkündete der Chefarzt des Krankenhauses in der südindischen Kleinstadt Puttaparthi (Andhra Pradesh) den Tod von Sai Baba, eines der weltweit einflussreichsten indischen Gurus. Die Zahl seiner Anhänger verschiedener Kasten und Religionen in aller Welt wird meist auf 25 Millionen geschätzt.

Der hinduistische Guru mit den charakteristischen Afrolocken, der 1926 oder nach anderen Angaben 1929 geboren wurde, bezeichnete sich selbst als Reinkarnation des 1918 gestorbenen populären Gurus und Wunderheilers Sai Baba von Shirdi. Der angeblichen Reinkarnation wurden übernatürliche Kräfte zugesprochen wie unheilbare Krankheiten zu heilen. Seine wohlfeilen Lebensweisheiten ("Das Feuer ist im Holz versteckt und Gott im Menschen") kamen bei vielen gut an. Zudem beeindruckte er mit - mehrfach überführten - Zaubertricks aus Asche. Eine von ihm gegründete Stiftung finanzierte zahlreiche Bildungs- und Gesundheitsprojekte, was ihm zusätzlichen Einfluss verschaffte.

Sai Baba war am 28. März in das von ihm selbst in seinem Geburtsort Puttaparthi gegründete Krankenhaus eingeliefert worden. Dort bemühten sich Ärzte aus Indien, den USA und Großbritannien 28 Tage lang um sein Leben, letztlich vergeblich. Seit 2005 saß der gesundheitlich angeschlagene Guru bereits im Rollstuhl. Seine Anhänger dürften über die religiöse Bedeutung seines Todes ausgerechnet an einem Ostersonntag rätseln.

Besonders erschüttert war indischen Medienberichten zufolge Cricketstar Sachin Tendulkar. Denn der Kapitän der Cricket-Mannschaft Mumbai Indians, der ein großer Sai-Baba-Anhänger ist, hatte am Sonntag seinen 38. Geburtstag, den er nun in tiefer Trauer verbrachte.

Verkörperung von Shiva und Shakti

Der von seinen Anhängern liebevoll "Swami" genannte Sai Baba bezeichnete sich als Avatar, eine Verkörperung des Göttlichen auf Erden in Gestalt eines Menschen. 1963 offenbarte er sich als Verkörperung von Shiva und Shakti, zwei indischen Gottheiten, die das männliche und weibliche Prinzip symbolisieren. Später behauptete er, auch eine Verkörperung von Jesus Christus zu sein.

Seine Lehre zeichnete sich durch große Toleranz gegenüber allen Religionen aus, die er grundsätzlich als gleichwertig ansah. Statt die Menschen anderer Religionen zu missionieren, bestärkte er sie in ihrem jeweiligen Glauben und setzte sich und seine eigene Lehre obendrauf. Er sei gekommen, um den Menschen das Bewusstsein ihrer eigenen Göttlichkeit zu vermitteln, war eine seiner Weisheiten.

Sai Babas Tod bringt den Terminkalender indischer Politiker durcheinander. Der Guru zählte zu seinen Fans Ministerpräsidenten, Bollywoodstars, Geschäftsleute und viele Angehörige der Mittelschicht. In Andhra Pradesh machte sich sofort der Ministerpräsident auf den Weg nach Puttaparthi zu Sai Babas Ashram. Dort werden für die Bestattung am Dienstag mehrere hunderttausend Menschen einschließlich vieler Prominenter erwartet. Die Polizei wurde bereits in Alarmbereitschaft versetzt. Die staatliche Busgesellschaft von Andhra Pradesh versprach so viele Busse wie möglich bereit zu stellen.

Freakige Fans aus Nordamerika

Beim 75. Geburtstag des Gurus vor einigen Jahren waren dort schon einmal 250.000 Menschen zusammengekommen. In Whitefield beim Bangalore gibt es einen zweiten von Sai Baba gegründeten Ashram, wo der Guru meist die Sommer verbrachte. Bei einem Besuch dort vor einigen Jahren waren neben vielen indischen Anhängern auch langhaarige Freaks aus Nordamerika, skandinavische Rentner mit Operngläser und japanische Yuppies beim andächtigen Singen religiöser Lieder zu sehen.

Sai Baba galt lange Zeit wegen seiner anerkannten finanziellen Wohltätigkeit und politischen Verbindungen als unantastbar. So konnte ihm die Erschießung von sechs Getreuen bei einem angeblichen Attentatsversuch in seinem Wohnhaus im Jahr 1993 nichts anhaben. Doch im Jahre 2000 geriet er in die Schlagzeilen, als ehemalige Anhänger ihn übers Internet des sexuellen Missbrauchs beschuldigten. Er soll ihre Genitalien berührt und dies als Teil eines religiösen Rituals dargestellt haben. Erstmals setzte sich Indiens Medien kritisch mit dem Guru auseinander, doch die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs sind schwer zu beweisen. Zu einer Anklage gegen den Guru kam es nie.

Sai Baba hatte sein eigenes Ableben übrigens erst für das Jahr 2020 prophezeit. Er sagte auch voraus, dass er als Prema Sai im Mandya-Distrikt im indischen Bundesstaat Karnataka wiedergeboren werde.

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