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■ Nachrichten aus Umtata, Teil 20, oder: die Eigenart des Flugverkehrs in die TranskeiMinibus der Lüfte

Umtata hat einen Flughafen. Ein Umstand, den unser Besuch zu schätzen weiß. Eltern und Freunde kommen aus Deutschland über Nacht nach Johannesburg und schweben dann am späten Nachmittag ein. Die Landebahn ist kilometerlang, jeder Jumbo könnte dort aufsetzen. Theoretisch jedenfalls. Praktisch besteht der Flugverkehr in Umtata aus den täglichen zwei Propellermaschinen, die morgens und abends aus Johannesburg kommen, eine halbe Stunde aus- und wieder einladen, auftanken und so schnell wie möglich die schwarze Provinzstadt wieder verlassen.

Das Empfangsgebäude war wie der gesamte Flugplatz ein Geschenk der Apartheidregierung an das 1976 zur formellen Unabhängigkeit gelangte Homeland der Transkei mit seiner Hauptstadt Umtata. Kein Wunder, daß auch das größte Militärcamp der Region direkt an die Landebahn grenzt. Und der Weg von der Stadt dorthin führt an der ehemaligen südafrikanischen Botschaft vorbei. Ein Flugplatz - gemacht für die schnelle Eingreiftruppe und den reibungslosen Abtransport des weißen Regierungspersonals im Fall der Fälle.

Den hat die Transkei in ihrer 18jährigen Geschichte mehrmals erlebt, und der Flugplatz erfüllte seinen Zweck. Mit der Wiedervereinigung Südafrikas und dem Ende der Apartheid ist diese Existenzberechtigung allerdings entfallen. Und so steht der gewaltige Flugplatz von Umtata immer mal wieder auf der Rotstiftliste des Transportministeriums. „Aber das können die doch nicht wirklich machen“, glauben die Angestellten von „Travel World“, dem einzigen örtlichen Reisebüro in weißer Hand, „der Flugplatz ist doch unser einziger Ausweg.“ Schließlich ist Umtata von 200 Kilometern Afrika umgeben, wie es afrikanischer auch in Kamerun oder Malawi kaum sein könnte. Da wollen die Weißen Umtatas auf die luftige Nabelschnur zum Rest ihrer Welt nicht verzichten.

Tatsächlich hat der anderthalbstündige Flug in der 22sitzigen Propellermaschime aber sehr wenig von der ursprünglichen Abfertigungsatmosphäre internationaler Luftlinien. Viel eher ähnelt er einer Fahrt im 16sitzigen Minibus ins 100 Kilometer entfernte Idutywa. Die Sitze sind mindestens so eng, der Motor ist doppelt so laut und unterwegs wird man dreimal so kräftig durchgerüttelt wie auf der schlaglochübersäten Teerstraße. Der Flug geht nämlich mitten über das gebirgige Königreich Lesotho mit all seinen Luftlöchern.

Auch die Passagiere setzen sich schon im Johannesburger Flughafen auffallend vom Rest der sterilen Geschäftsmännergesellschaft ab. Beim Einchecken treffen sich lauter alte Bekannte, rufen sich zur Begrüßung quer durch die Halle in IsiXhosa „Molo“ zu, drücken sich auf schwarze Brüderart doppelt die Hände und nutzen Wartezeit und Flug zum Austausch all der Neuigkeiten aus Verwandt- und Bekanntschaft.

Und spätestens beim Landeanflug grüßt Afrika auch von außerhalb des Flugzeugs. Anstatt gleich aufzusetzen, haben es sich die Piloten nämlich angewöhnt, die Piste erst einmal im großen Bogen von Anfang bis Ende aufmerksam zu überfliegen. Denn wie auf den Straßen der Transkei steht auch im nachlässig eingezäunten Flughafengelände immer mal wieder eine Kuh- oder Schafherde auf der Landebahn. Im besten Fall läßt sie sich dann vom Propellergedröhn verscheuchen, im ungünstigsten Fall dreht der Flieger ab und landet 250 Kilometer weiter im ehemals weißen Südafrika auf dem Flugplatz von East London. Sehr zum Verdruß unserer Besucher, die dann nach 11 Stunden Interkontinental- und zwei Stunden Propellerflug auch noch eine vierstündige Busreise erdulden müssen, bevor wir sie endlich in Umtata in den Arm nehmen können.

Dirk Asendorpf

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