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NachleseBorttscheller und der Machtmißbrauch

■ Dem Innensenator mangelt es an Sensibilität für die Begrenzungen des staatlichen Machtmonopols

„Ich habe veranlaßt, daß in der Praxis nach diesem kleinen Vermerk jedenfalls nicht mehr gearbeitet wird und daß insbesondere die Zahl 23 zukünftig kein Kriterium mehr dafür sein kann, welche Studenten an die Universität Bremen kommen.“ Dies hat Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) am vergangenen Mittwoch (6.12.) in der Bürgerschaft erklärt und ist damit einer Forderung, die zwei Wochen lang, seit dem 25.11., gegen ihn erhoben wurde, nachgekommen: Aufgrund eines Vermerkes hatte nämlich das Ausländeramt Studienbewerbern Nicht-EU-Ländern mitgeteilt, sie würden keine Aufenthaltserlaubnis erhalten, weil in Bremen „in der Regel“ für diese Studierenden die Altersgrenze von 23 Jahren gelte. Ende gut, alles gut? Leider nicht.

Nicht nur die grüne Opposition hatte die Verfahrensweise der Innenbehörde scharf kritisiert. Der Koalitionspartner SPD sprach im Parlament von „blankem Vorurteil“, nach dem die Ausländerbehörde da handelte. Jens Böhrnsen: „Das ist Willkür und Willkür darf es im demokratischen Rechtsstaat nicht geben“.“ Und Borttschellers eigener Fraktionsvorsitzender Neumeyer versicherte nach den heftigen Angriffen von Grünen, SPD und AfB, er habe „die gleiche Meinung“: „auch in der CDU-Fraktion hat es ein hohes Maß an Unverständnis gegenüber dieser Praxis“ gegeben, „dieser unsinnige Aktenvermerk“ müsse weg.

Klare Sache: Die Innenbehörde, die in erster Linie im Lande das staatliche Gewaltmonopol ausübt, ist bei einem Machtmißbrauch erwischt worden.

Hat der Bremer Innensenator Borttscheller das begriffen? Nur in einer Nebenbemerkung teilte Borttscheller dem Parlament mit, daß der die Regelung nicht mehr praktiziert werde. Borttschellers Rede ist vom ersten Satz an gekennzeichent von wilden Angriffen auf die, die die Verfahrensweise seiner Behörde kritisiert haben. Mit keinem Wort ging der Innensenator darauf ein, daß seine Behörde auf unterer Ebene „willkürlich“ und gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze verfährt, ohne daß der Senator davon weiß. Mit keinem Wort erklärt Borttscheller, warum er zunächst das willkürliche Verfahren gerechtfertigt hat. Mit keinem Wort bedauert der Senator, daß ausländische Studienbewerber diesen skandalösen Brief bekommen haben.

Der Senator griff stattdessen im Parlament jovial die an, die ihn auf den Machtmißbrauch aufmerksam machen wollten: „Wir leben in einer mediengläubigen Gesellschaft“, kalauerte Borttscheller, „da lese ich beim Frühstück einen kleinen Artikel im Weser-Kurier und einen fulminanten Kommentar: unfaßbar und kleinkariert. Da habe ich gesagt: Mensch, das ist ein doller Artikel, liest Du mal genauer. Da hätte ich eigentlich nach diesem Artikel ein schlechtes Gewissen bekommen müssen. Keineswegs.“

Kein schlechtes Gewissen. Keineswegs war er alarmiert. Erst rechtfertigt er sogar noch den Machmißbrauch. Dann – keinerlei Veranlassung, den ausländischen StudentInnen einen zweiten entschuldigenden Brief hinterherzuschicken. Für den Innensenator gibt es da nichts zu korrigieren. Er hat sich bisher nicht einmal dafür interessiert, wieviele dieser Skandal-Briefe seine Ausländerbehörde verschickt hat. Die führe darüber keine Statistik, begründete er das lapidar auf Nachfrage der taz.

Die japanische Studentin mit Rotary-Stipendium, die den Bremer Skandal-Brief bekommen hat, studiert nun in Göttungen. Für Bremen bleibt die Erkenntnis, daß der Innensenator für die Grenze zwischen Macht und Machtmißbrauch keinerlei Sensibilität hat.

Klaus Wolschner

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