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NachgefragtKein Grund zum Feiern

■ Bosnien-Hilfe „vorsichtig optimistisch“

Den Krieg auf dem Balkan hat Andrea Frohmader, Mitbegründerin der „Brücke der Hoffnung“, hautnah verfolgt. Seit 1993 ist die ehemalige Lehrerin „mit fast nichts anderem beschäftigt als mit Bosnien“. Sie sammelt Spenden, bemüht sich erfolgreich um öffentliche Gelder und organisiert Hilfstransporte in die Krisenregion. Etliche Male reiste die persönliche Referentin der Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck (Grüne) selbst dorthin, rief Hilfsprojekte vor Ort ins Leben und beobachtete Menschenrechtsprozesse.

Was haben sie empfunden als sie die Nachricht vom Friedensvertrag hörten?

Ich war erleichtert. Man hatte in den letzten Wochen den Eindruck, das sich nichts bewegt.

Haben Sie gefeiert?

Nein, so erleichtert war ich nun auch wieder nicht. Ich selbst war im Juni in Bosnien. Ich habe dort den Krieg das erste Mal mit eigenen Augen gesehen. Man ist nicht mehr so euphorisch, weil der Krieg so unheimlich lange dauerte. Ich bin deshalb vorsichtig optimistisch. Aber optimistisch bin ich.

Der Friedensvertrag birgt aber jede Menge Zündstoff. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Chancen auf Frieden ein?

Grundsätzlich ist der Friedensvertrag ein Schritt in die richtige Richtung. Ich denke, daß es an der Zeit war, einen irgendwie gearteten Friedensschluß zu ziehen. Aber wirklich hart ist es, daß es ein sehr ungerechter Frieden ist.

In welcher Hinsicht?

Die Opfer des Krieges, nämlich die bosnischen Muslime, müssen auf ihren bosnischen Staat verzichten. Sie finden jetzt ein zweigeteiltes Bosnien vor, wo sie als alleinige Gruppe – denn es gibt ja drei Gruppen – nicht in Erscheinung treten.

Sie kennen eine Reihe von Betroffenen. Wie haben die auf den Friedensvertrag reagiert?

Ich habe aus meinem Umfeld verschiedenes gehört. Nach Bosnien selbst kommt man ja nicht durch. Ich habe aber gestern mit einem Bosnier telefoniert, der in Köln lebt. Er sagte er, er sei sehr sehr skeptisch, insbesondere weil die Pale-Serben unberechenbar sind. Durchweg ist die Stimmung aber so nach dem Motto: „Gottseidank, endlich“. Alle hatten den Eindruck – und das ist auch meine Einschätzung – daß der Waffenstillstand jetzt eingehalten wird. Der war ja immer wieder durchbrochen worden. Vor allem in der Region, die wir gut kennen, oben in Tuzla. Es wird jetzt also endlich zu einem Waffenstillstand kommen. Herr Clinton hat ja auch deutlich gemacht, daß er von amerikanischer Seite aus Soldaten schicken will.

Der US-Kongreß verweigert ihm allerdings noch die Zustimmung.

Ja, ich bin mir auch noch nicht sicher, ob es klappt. Ich denke, es wird große Schwierigkeiten geben, das durchzusetzen. Aber er hat ja Veto-Recht, und ich denke, er wird es durchsetzen können. Es ist traurig, daß Soldaten überhaupt nötig sind, den Frieden dort zu sichern, aber mir scheint, es ist unumgänglich. Wenn man die ganzen letzten Monate betrachtet, muß man ja sagen, es ist nur durch das Eingreifen der Amerikaner überhaupt zu einem Fortschritt gekommen. Das ist der Hoffnungsschimmer an der ganzen Sache. Die drei Präsidenten wissen, daß sie die USA oder Clinton im Nacken haben. Das gibt eine gewisse Sicherheit für eine bestimmte Zeit, vielleicht nicht für lange Zeit. Da bin ich skeptisch.

Was wird jetzt aus der „Brücke der Hoffnung“?

Die Brücke der Hoffnung wird auf jeden Fall weiter arbeiten. Wir haben gerade eine Millionen Mark vom Auswärtigen Amt bekommen. Das Geld setzen wir gerade um, und zwar für die Srebrenica-Flüchtlinge. Wir werden versuchen, beim Aufbau zu helfen. Ich bin durch diese verbrannten Dörfer gefahren. Ich kann mir vorstellen was es bedeutet aufzubauen. Es wird unendlich viel Hilfe nötig sein, um dieses Land wieder belebbar, bewohnbar zu machen. Daran werden wir arbeiten. Ich glaube, man kaum sinnvoller irgendwo arbeiten kann. Und wenn man für den Aufbau arbeiten kann, macht einen das noch froher, als wenn man im Krieg immer nur die Löcher stopfen kann. kes Schneider

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