piwik no script img

■ Nachgefragt„Sie wollen den gläsernen Patienten“

Die kassenärztliche Bundesvereinigung läuft Sturm gegen den Plan von Krankenkassen und Bundesgesundheitsministerium, alle Ärzte zur digitalen Speicherung und Weitergabe ihrer Diagnosen zu verpflichten (vgl. zuletzt taz vom 20.12.). Der ehemalige Bremer Senator Walter Franke ist Vorsitzender des Weltverbandes der Behinderten (FIMITIC) mit rund zehn Millionen Mitgliedern in 34 Staaten.

taz: Es soll in der Frage des gläsernen Patienten inzwischen einen Kompromiß zwischen Ärzten und Krankenkassen gegeben – Datenweitergabe nur noch auf freiwilliger Basis.

Walter Franke: Bis jetzt gibt es noch keinen Kompromiß. Die Ärzte wehren sich zum Glück gegen die Erhebung, aber eine Einigung gibt es noch nicht.

Würde sich ihre Kritik auch gegen die Weitergabe der Daten auf freiwilliger Basis richten?

Was heißt hier freiwillig? Wenn der Patient seine Daten weitergeben will, dann kann er das jetzt auch schon. Aber natürlich darf das nicht ein Arzt freiwillig weitergeben ohne den Patienten zu fragen. Solche Daten bleiben doch am Ende nie geheim...

Auch dann nicht, wenn die Krankenkassen versichern, sie wollten die Daten nur anonymisiert weiterverwenden?

Da kann ich nur lachen. Es tauchen doch immer wieder Daten auf dem Markt auf – trotz allen Datenschutzes.

Sie haben erklärt, die codierte Weitergabe der Diagonosen würde Sie an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte erinnern...

Da soll ja bis in den letzten Winkel der gläserne Patient geschaffen werden. Am Ende weiß man alles vom chemischen Individualmuster über Verhaltensauffälligkeiten im Sexualbereich bis zum sozialen Umfeld. Behinderte wollen aber aufgrund der schrecklichen Erfahrung in der deutschen Geschichte in keinster Weise registriert werden und wehren sich mit Händen und Füßen dagegen.

Nun sagen die Krankenkassen, sie bräuchten die Daten aus medizinischen Gründen zum Beispiel zur Verbesserung der Prävention.

Da muß es doch wohl auch andere Möglichkeiten geben. Sie sagen ja auch, daß sie auf diesem Weg an Simulanten oder Drückeberger herankommen wollen. Da soll man sich andere Kontrollsysteme ausdenken.

Was werden Sie tun, wenn das Vorhaben nicht zurückgezogen wird?

Wir sind entschlossen, notfalls vor dem europäischen Gerichtshof dagegen zu klagen, weil das ein echter Verstoß gegen unsere Grundrechte ist.

Fragen: Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen