■ Nachgefragt: „Ethnische Säuberung - politische Wertung“
Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) hat Strafantrag gegen das Anti-Rassismus-Büro wegen Verleumdung und übler Nachrede gestellt. Grund: Das Anti-Rassismus-Büro hat ihm in einem Demonstrationsaufruf eine „Politik ethnischer Säuberung“ vorgeworfen. Wir fragten bei einem Vertreter des Anti-Rassismus-Büros nach.
taz: Was genau hat das Antirassismus-Büro erklärt?
Matthias: Ich kann das zitieren aus unserem Demonstrationsaufruf zum 10. Januar. Da heißt es: „Manfred Kanther, sein Bremer Kollege Innensenator Ralf H. Borttscheller und dessen Wau-Wau, der momentan etwas glücklose Staatsrat von Bock, werden sich auf dieser CDU-Gruselparty gegenseitig auf die Schulter klopfen und den neuen „Erfolg“ ihrer gemeinsamen Politik der ethnischen Säuberung Deutschlands feiern...“
Was heißt ethnische Säuberung Deutschlands?
Große Gruppen von Menschen, z.B. Vietnamesen, oder Bosnierinnen und Bosnier, werden abgeschoben. Bei den Bosniern ist es zudem so, daß die Leute gar nicht in ihre Dörfer zurückkönnen und keine Möglichkeit sehen, dort zu leben. Trotzdem werden zehntausende so abgeschoben.
Unter ethnischer Säuberung versteht man aber eine Säuberung, deren Motive ethnischer Art sind. Unterstellt das Anti-Rassismus-Büro, daß sie deshalb abgeschoben werden, weil es Bosnier sind?
Nein. Wir erleben, daß Deutschland weitestgehend flüchtlingsfrei gemacht werden soll. Der Begriff der ethnischen Säuberung ist in provokanter Weise ins Spiel gebracht worden von Herbert Leuninger, damals Sprecher von Pro Asyl. Der hat die Abschiebepolitik der Bundesregierung vor anderthalb Jahren als Vorstufe zur ethnischen Säuberung bezeichnet. Das haben wir aufgegriffen.
Handelt es sich bei den Abschiebungen nicht vielmehr um den Versuch, Sozialhilfe zu sparen und den Arbeitsmarkt nicht zusätzlich zu belasten durch geduldete oder aufgenommene Flüchtlinge?
Ich würde darüber nicht spekulieren wollen, was die Motive sind. Kanther hat eindeutig erklärt, daß er nicht mehr Flüchtlinge haben will, gerade auch nach Srebrenica, weil Deutschland voll sei.
Der Begriff ethnischer Säuberung unterstellt aber ethnische, rassistische Motive...
So eng muß man dieses Wort nicht begreifen. Das Land soll von bestimmten ethnischen Gruppierungen gesäubert werden. Zum Beispiel die Vietnamesen. Natürlich auch aus rassistischen Motiven, das wirkt irgendwie zusammen.
Borttscheller hat Strafantrag gestellt, jetzt soll das Gericht die Frage klären.
Mitarbeiter des Büros werden mit Strafanzeigen wegen Verleumdung und Volksverhetzung geradezu eingedeckt.
Hat schon ein Verfahren stattgefunden?
Im Februar gibt es den ersten Termin, weil wir in der Brechmittel-Broschüre von „rassistischer Sonderbehandlung im Fließbandverfahren“ geschrieben haben. Nach Meinung des Staatsschutzes ist das Volksverhetzung.
Habt ihr jetzt wegen Borttscheller einen Anwalt eingeschaltet?
Nein. Diese Strafanzeige ist lächerlich. Das Wort „ethnische Säuberung“ ist eine politische Wertung. Ich denke, soviel Meinungsfreiheit sollte hier noch bestehen. Ich finde es unglaublich, daß daraus ein Straftatbestand gemacht werden soll.
Fragen: K.W.
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