Nachgefragt: „Liberianer dulden“
■ Flüchtlingslager sind umkämpft
In Bremen gibt es einige liberianische Flüchtlinge, denen ständig die Abschiebung droht. Zwar sind versuchte Abschiebungen des Ausländeramtes nach Liberia bislang meist wegen des Bürgerkrieges gescheitert. Doch die neuen Bilder aus dem umkämpften Monrovia veranlaßten uns, bei der Flüchtlingsinitiative Schildstraße nach dem Schicksal der liberianischen Flüchtlinge in Bremen zu fragen.
taz: Wie sieht denn die Lage in Liberia aus?
Michaela von Freyhold: Wir haben durch Kontakte nach Monrovia bestätigt bekommen, was man in den Nachrichten auch hört: Daß immer noch von Haus zu Haus gekämpft wird und daß in den Außenbezirken Kämpfe stattfinden – genau dort, wo die Flüchtlingslager sind. Wieviele Tote es gibt, weiß man nicht. Aber es ist sicher eine vierstellige Zahl und täglich werden es mehr. Ganz offensichtlich ist zwischen den Warlords ein Kampf um die Macht entbrannt. Das Morden wird noch eine Weile andauern.
Eine völlig unübersichtliche Situation also?
Unübersichtlich nicht. Man weiß schon genau, was da passiert: Der Kräftigste dort, Charles Taylor, möchte gerne Alleinherrscher werden. Aber das wird er nicht schaffen, weil er nicht von allen Gruppen akzeptiert wird.
Hat Sie diese Zuspitzung überrascht?
Nee, das Gemeine ist, das hat uns nicht überrascht. Wir haben Ende 1994 vor dem Verwal-tungsgericht Experten gebeten, Gutachten zu erstellen. Alle beiden Liberia-Kenner haben vorhergesagt, daß der Bürgerkrieg früher oder später wieder auf Monrovia übergreifen würde.
Hat das die Verwaltungsrichter irgendwie beeindruckt?
Die Richter denken, sie wissen das besser als die Afrikanisten. Wir haben auch im Bundesamt für die Anerkennung von Flüchtlingen auf die Gefahren aufmerksam gemacht, wir haben der Ausländerbehörde geschrieben, sie sollte vorsichtig sein, weil sie sich sonst möglicherweise am Tod von Flüchtlingen mitschuldig macht. Und wir haben dem damaligen Innensenator auch eine Dokumentation geschickt. Alle haben gesagt, sie wüßten es besser als die Experten.
Sie haben gerade gesagt, daß bis in die Flüchtlingslager gekämpft wird. Das heißt, es könnte sein, daß Flüchtlinge, die aus Bremen abgeschoben wurden, jetzt unmittelbar mit dem Tode bedroht sind?
Ja. In der Zeit, in der unser Informant das beobachtet hat, ist nur ein Mensch abgeschoben worden. Zu dem haben wir, und ebenso ein Verwandter, der noch hier lebt, sofort den Kontakt verloren. Rund 80 Liberianer sind noch hier – allerdings nur, weil die liberianische Botschaft ihnen keine Reisepapiere ausstellt. Sonst wären all die Flüchtlinge nach dem Willen unserer Behörden schon wieder in Monrovia. Das Schlimme ist, daß sie hier keine Duldung aus humanitären Gründen bekommen, sondern nur wegen des „technischen Abschiebehindernises“...
...weil keine Papiere da sind.. nicht abgeschoben werden. Jeden Monat müssen sie zur Ausländerbehörde, alle drei bis vier Monate müssen sie nach Bonn fahren und die Botschaft bitten, ob sie ihnen nicht doch Papiere ausstellen kann. Die mit den etwas schwächeren Nerven sind am Tag, bevor sie zur Ausländerbehörde müssen, völlig fix und fertig – weil sie Angst haben, sie würden jetzt in Abschiebehaft genommen oder daß doch noch Papiere ausgestellt werden. Sie bekommen keine Zusicherung, daß sie hierbleiben können, bis der Krieg vorbei ist. Eigentlich können sie sofort abgeschoben werden, mitten in die Kämpfe, falls es irgendwie gelingt, ihnen ein Reisepapier zu beschaffen. Die Bremer Innenbehörde hat immer gesagt, grundsätzlich wird nach Liberia abgeschoben.
Auch in der jetzigen Situation?
Wir haben immer wieder gefragt, ob jetzt humanitäre Duldung möglich ist. Bis jetzt haben sie sich dazu nicht verhalten. Dabei hat sich an der gesamten Situation nichts geändert.
Fragen: J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen