Nachgefragt: Verluste verteilen!
■ Sylvia Gerking über die Position freier Träger zu den Kita-Gebühren
Seit einer Woche liegt die schriftliche Urteilsbegründung zu den vom Oberverwaltungsgericht gekippten Kita-Gebühren vor. Das System bei der Bemessung der Gebühren sei viel zu kompliziert, so das Gericht, das eine „pauschalierende Staffelung“nahelegt. Außerdem stelle die detaillierte Offenlegung der Finanzverhältnisse einen Eingriff in das Recht der Eltern auf „informationelle Selbstbestimmung“dar. Sozialsenatorin Tine Wischer schweigt sich nach wie vor darüber aus, welches Konzept ab 1. August gelten soll. Die taz sprach mit Sylvia Gerking vom Landesverband freie Wohlfahrtspflege über mögliche Perspektiven der Kinderbetreuung in Bremen.
taz: Frau Gerking, vorgestern haben sich die freien Träger, die in Bremen Kitas betreiben, zusammengesetzt. Gibt es eine einheitliche Vorstellung darüber, wie die Plätze künftig finanziert werden sollen?
Sylvia Gerking: Wir warten händeringend darauf, daß die Verwaltung uns ihre Vorstellungen präsentiert, damit wir wissen, worauf wir uns einzustellen haben. Innerhalb der freien Träger gibt es verschiedene Positionen: Manche befürworten einen Einheitssatz, andere einen gestaffelten. Ich denke, daß es ein völlig gerechtes System letztlich ohnehin nicht geben kann. Einig sind wir uns, daß wir ein leicht nachvollziehbares, familienfreundliches Modell wollen. Das fordert ja auch das Gericht.
Wie waren ihre Erfahrungen mit dem alten System?
Es war höchst problematisch, die Sätze festzustellen. Deshalb fordern wir auch, daß nun das Bruttoeinkommen bei der Berechnung zugrunde gelegt wird. Außerdem sollte man die Geschwisterzahl berücksichtigen.
Das Gericht legt nahe, sich bei der Bemessung der Sätze an dem Kindergeld zu orientieren: Von etwa 220 Mark pro Halbtagsplatz ist die Rede.
Das erscheint mir realistisch.
Dann steht aber zu befürchten, daß Senat und freie Träger weniger Geld bekommen.
Davon gehen wir auch aus. Deshalb fordern wir auch, daß die Mindereinnahmen auf alle Ressorts verteilt werden.
In welcher Größenordnung bewegen sich die Verluste vermutlich?
Genau weiß man das natürlich nicht, solange das neue System nicht klar ist. Es könnte in die Millionen gehen. Wenn das die Sozialverwaltung alleine auffangen soll, ist klar, was passiert: es wird in allen Bereichen freiwilliger Leistung gekürzt oder die Standards in den Kitas werden gesenkt. Und das könnte ganz schnell zu kürzeren Öffnungszeiten oder ähnlichem führen.
Fragen: Jeannette Goddar
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