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Nach schlechtem Südafrika-AuftrittAfrika in der Niederlage vereint

Südafrikas Bafana haben verloren? Unterstützen wir halt Nigerias Super Eagles. Das nützt auch nichts? Hauptsache, irgendeine afrikanische Mannschaft rettet Afrikas Traum.

Nigeria-Fans beim Spiel gegen Griechenland: "Wir repräsentieren heute Afrika." Bild: ap

BLOEMFONTEIN taz | Bloemfontein im Herzen von Südafrika ist ein recht konservatives und verschlafenes Städtchen. Nur an WM-Spieltagen ist am Flughafen etwas los. Dann sind die Gästehäuser ausnahmsweise halbwegs ausgebucht, und die Angestellten der Mietwagen-Anbieter müssen sich nicht die Beine in den Bauch stehen wie sonst. Und hier herrscht Ordnung: An den Eingängen des Bloemfonteiner Stadions stehen mindestens so viele knall-orange gekleidete Ordner wie eintretende Fußballfans. Hier ist offensichtlich nicht gestreikt worden.

Der Flughafen von Bloemfontein ist zu 85 Prozent blau-grün-weiß: Griechenland spielt gegen Nigeria. Mein nigerianischer Sitznachbar hat während des Fluges gleich klargestellt: "Wir repräsentieren heute Afrika."

Einwohner von Bloemfontein, deren Häuser auf dem Weg zum Stadium liegen, haben ihre Garagentore geöffnet und davor Tische mit hausgemachten Hotdogs und Wurstbroten aufgestellt. Ein anderer hat in seinem Garten seine Musikboxen aufgestellt und einen Braai (Grill). Teenager verkaufen Ohrenstöpsel gegen den Vuvuzela-Lärm, machen aber kein gutes Geschäft heute. Die Griechen wollen keine Ohrenstöpsel, die mit jeweils drei Vuvuzelas, Pfeifen und Trommeln ausgestatteten Nigerianer noch viel weniger.

Ein weiß-grüner Nigerianer erklärt auf dem Weg ins Stadium ganz biblisch: "Wir werden die Tränen von den Augen unserer Brüder abwischen", und meint damit die Südafrikaner. Was die Griechen angeht: "Sie können nicht hierherkommen, wo wir leben, und uns schlagen." Er hat sich genau ausgerechnet: Nigeria wird Griechenland schlagen, anschließend selbstverständlich auch Südkorea und dann im Viertelfinale Uruguay - und damit das Lächeln auf die Gesichter der Südafrikaner zurückzaubern. Er kennt jeden WM-Schiedsrichter mit Namen, er befürwortet die strengen unter ihnen. Und er kennt kein Mitleid mit Bafana: "Bafana Bafana haben gegen Uruguay gespielt, als würden sie gerade ein kleines Freundschaftsspiel absolvieren - nicht, als seien sie gerade bei einer Weltmeisterschaft."

Die Südafrikaner im Stadion, weiß und schwarz, stehen geschlossen hinter Nigeria. Die Stimmung ist gigantisch, die Unterstützung auch. Nigerianer feuern mit ihren Trommeln die Spieler an. Zum ersten Mal seit WM-Beginn hört sich das Vuvuzela-Getröte halbwegs melodisch an: Die Afrikaner wissen, im Gegensatz zu den ebenso vuvu-verrückten Touristen, wie man das Ding handhabt, und spielen im Chorus eine Melodie. Es ist faszinierend, wie sie sich per Getröte abstimmen. Im Stadion stehen - kaum jemand sitzt - genauso viele Griechen, aber die bringen es nicht einmal auf halb so viel Lärm. Die nigerianischen und restafrikanischen Fans feuern an, was das Zeug hält, aber am Ende reicht alles Tröten, Trommeln und Tanzen nicht. Die Afrikaner sind nach Griechenlands Sieg am Boden zerstört. Das sollte Afrikas Weltmeisterschaft werden, Afrikas großer Moment - aber bisher hat nur Ghana ein Spiel gewonnen.

Wie aber die Südafrikaner tags zuvor rappeln sich auch die nigerianischen Fans schnell wieder auf: "Wir können es noch schaffen", höre ich meinen ultrahip gekleideten nigerianischen Sitznachbar am Ende des Spiels sagen. Und in Zeitungen steht jetzt auch schon: "Bafana Bafana sind noch nicht tot! Wir haben die Hoffnung an ein Wunder nicht verloren."

Eine brüderliche panafrikanische Stimmung hat, so scheint es, Südafrika in Besitz genommen. Bafana Bafana oder Super Eagles haben es schwer? Es gibt ja noch andere afrikanische Mannschaften, die Afrikas Traum erfüllen können.

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