■ Nach der kroatischen Militäraktion in Westslawonien: Kroaten sind keine Ustaschen
Daß historischer Streit 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg selbst zum Kriegsgrund werden kann, ist im ehemaligen Jugoslawien zu erfahren. Die Auseinandersetzung um das jetzt von Kroaten zurückeroberte Gelände des Konzentrationslagers von Jasenovac in Westslawonien berührt einen der sensibelsten Punkte im serbisch-kroatischen Konflikt. Anstatt über den Mord von wahrscheinlich 80.000 Serben, Juden, Roma und Kroaten durch die Schergen eines totalitären Regimes zu trauern, statt humane Konsequenzen aus dem Geschehenen zu ziehen, wurde mit den Toten von gestern ein Kriegsgrund für heute geschaffen.
Indem die serbischen Extremisten 1989 behaupteten, 800.000 bis 1,5 Millionen Serben seien in diesem Konzentrationslager ermordet worden, wurde Angst unter den Serben Kroatiens geschürt. Bei dieser „Geschichtsdiskussion“ ging es nicht um die Schuld eines terroristischen, totalitären Regimes, sondern um den Versuch, mit den Toten von damals den Angriff auf das Kroatien von heute zu begründen und den Opfermythos erneut ins serbische Bewußtsein zu rücken. Die Ermordeten von damals dienten den extremistischen „Intellektuellen“ zum Beweis, daß Serben in dem kroatischen Staat von heute nicht mehr leben könnten. Folgerichtig wurde der kroatische Präsident Tudjman zu einem direkten Nachfolger des Usatascha-Führers Ante Pavelic hochstilisiert und wurden die Serben Kroatiens zu den Waffen gerufen.
Vielleicht hätte die kroatische Politik sich damals ernsthafter, als sie dies tat, dazu verhalten können. Indem Tudjman damals von lediglich „30.000 Ermordeten“ sprach, hatte er sich auf die Ebene des Propagandakrieges eingelassen. Anstatt über die Geschichte zu diskutieren und sich vor den Opfern zu verbeugen, erschien seine Zahl als ein Herunterspielen der Schuld des Pavelic-Regimes. Sicherlich hat es vielen Kroaten weh getan, daß, obwohl es seit 1941 eine starke antifaschistische Bewegung in Kroatien gab (immerhin waren es ja vor allem Kroaten, die damals zu den Partisanen strömten), die Kroaten von aller Welt als die Faschisten der Region gebrandmarkt wurden. Der serbische Faschismus – sowohl derjenige der Tschetniks wie auch derjenige des von den Deutschen unterstützten Nadic-Regimes in Belgrad – war buchstäblich aus den Geschichtsbüchern verschwunden.
Um so deutlicher trat er dann 1991 in Erscheinung. Nicht nur Jasenovac, auch Vukovar wurde mit den bekannten Folgen „befreit“, 400.000 Kroaten wurden aus den serbisch besetzten Gebieten vertrieben, über 10.000 Menschen ermordet. Trotz der eigenen Verbrechen in diesem Krieg wurde die Angst vor den Kroaten weiter geschürt. Und so ist es kein Wunder, wenn die serbische Propaganda bei der Rückeroberung von Jasenovac durch die kroatische Armee von der Zerstörung des Denkmals und einem Blutbad sprach. Daß im Gegenteil die kroatische Armee sich äußerst diszipliniert verhalten und keineswegs auf der Ebene „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gehandelt hat, wird vor diesem geschichtlichen Hintergrund um so bedeutsamer. Wenn die Strategie der Kroaten jetzt durchgehalten wird, wird die Möglichkeit eröffnet, aus dem Teufelskreis der Propaganda mit der Geschichte auszubrechen. Der kroatische Staat von heute ist kein Ustascha-Staat. Erich Rathfelder
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