Nach der SPD-Pleite: Hessen wählt bald neu
Die Grünen wollen nicht in eine Regierung mit CDU und FDP einsteigen. Die Christdemokraten regieren wieder.
WIESBADEN taz In Hessen werden Neuwahlen schon im Januar oder Februar 2009 immer wahrscheinlicher. Nach den Grünen sprach sich am Dienstagabend auch FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn für Neuwahlen aus, nachdem Grünen-Chef Tarek Al-Wazir dessen Einladung zu einem Gespräch mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) am Ende doch noch ausgeschlagen hatte.
Zuvor hatten die Grünen verlautbaren lassen, mit jedem reden zu wollen. Am Mittwoch hieß die Parole: "Ja, schon, aber nur getrennt!" In Wiesbaden tagte zu diesem Zeitpunkt in der Staatskanzlei schon wieder das christdemokratische Kabinett. Das Desaster bei der "einzig wahren Hessenpartei" (SPD-Eigenwerbung) am Montag hatte den Weg dazu freigemacht. Die Landesverfassung schreibt nämlich zwingend vor, dass die alte Landesregierung weitermachen muss, wenn keine neue MinisterpräsidentIn gewählt und kein neues Kabinett vereidigt werden kann. Koch hat seine noch am Dienstag geäußerte Hoffnung, in den nächsten Tagen vielleicht doch noch eine tragfähige Regierung bilden zu können, wohl endgültig fahren lassen, nachdem die Grünen einer Koalition mit CDU und FDP erneut eine Absage erteilt hatten.
Und dass eine große Koalition für die SPD in ihrer gegenwärtigen Misere reiner Sprengstoff wäre, weiß auch Koch. Hessen sei auf dem Weg zu einer vorgezogenen Wahl, sagte er am Vormittag. Und der geschäftsführende Regierende versicherte, dass sein Kabinett auch in einem bald anlaufenden Wahlkampf seine Arbeit fortsetzen würde. Er sagte auch, dieser Wahlkampf werde "heftig ausfallen".
Zur Auflösung des Landtages und damit zur Ausschreibung von Neuwahlen, die innerhalb von 60 Tagen nach der entsprechenden Abstimmung durchgeführt werden müssen, reichen die Stimmen von CDU, FDP und Grünen. Die SPD hat Neuwahlen bisher nicht zugestimmt.
Ansonsten schlug am Mittwoch die Stunde der Verschwörungstheoretiker. Die einen beschuldigten den ehemaligen Landesvorsitzenden und 2003 gescheiterten Spitzenkandidaten der hessischen SPD, den Hammerwerfer Gerhard Bökel, die vier SPD-Abweichler zum Aufstand gegen Andrea Ypsilanti ermutigt zu haben. Belege gibt es dafür nicht. Andere behaupten, dass Energiekonzerne Geld an die Renegaten ausgeschüttet hätten und die vier Landtagsabgeordneten deshalb gekauft worden seien. Ähnliches war der frühen Dissidentin Dagmar Metzger, die im Aufsichtsrat eines lokalen Energieversorgers in Darmstadt sitzt, auch schon im März unterstellt worden. Weil die vier seit Montag untergetaucht sind - und wenigstens Silke Tesch nach eigenen Angaben "unter Polizeischutz" steht -, wird die Gerüchteküche in Wiesbaden weiter brodeln. Carmen Everts ist inzwischen von allen Parteiämtern in ihrem Heimatkreisverband Groß-Gerau zurückgetreten. Und Jürgen Walter teilte seiner Partei am Dienstagabend per Fax knapp mit, dass er von seiner Position als stellvertretender Landesvorsitzender zurücktrete.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken