■ Nach der Genfer Außenministerkonferenz zu Bosnien: Die Zweiteilung im Visier
Wer sich noch immer Illusionen macht, wird zwangsläufig immer wieder enttäuscht. Die am letzten Wochenende in Genf einmal mehr frustrierten Erwartungen der bosnischen Regierung in die Clinton- Administration sind so blauäugig wie die pauschale Unterscheidung zwischen einer in Bosnien „versagenden“ UNO hier und den „handlungsbereiten“ USA bzw. Nato dort. Die Behauptung des US-Präsidenten, in Bosnien handele es sich um einen Bürgerkrieg“, wie er bei seiner Bosnien-Pressekonferenz vor vier Wochen auch auf Nachfrage hin ausdrücklich bekräftigte, und seine arroganten Antworten auf kritische Anfragen an die US-Bosnien-Politik Ende April bei der CNN-Schaltkonferenz mit 150 Journalisten aus aller Welt hätten spätestens endültig alle noch verbliebenen Illusionen beseitigen müssen.
Daß die USA nun davon abgerückt sind, wie noch vor zwei Tagen 58 Prozent des bosnischen Territoriums der muslimisch-kroatischen Föderation zuzubilligen, offenbart neben Konzeptions- und Prinzipienlosigkeit auch ein erschreckendes Maß an Koordinationsmängeln innerhalb der Clinton-Administration. Als Frankreichs Außenminister Juppé – unter allen seinen derzeit mit Bosnien befaßten Amtskollegen der cleverste – Clinton und Christopher in Washington längst auf die Position der EU (51:49 Prozent Landverteilung) festgelegt hatte, verkündete Redman am Donnerstag abend in Genf noch immer sein 58 zu 42.
Historisch betrachtet ist das Versagen der EU- Staaten sowie auch Rußlands und daher auch ihre Verantwortung für die Katastrophe seit dem offenen Ausbruch der innerjugoslawischen Konflikte im Jahre 1991 weit größer als die der USA. Inzwischen unterscheidet sich die Bosnien-Politik der USA von der der Europäer aber nur noch darin, daß Washington noch weniger als etwa Paris und London Courage hat, auch offiziell einzugestehen, worauf die seit langem betriebene Politik schließlich hinauslaufen soll und wird. Trotz aller gegenteiligen Absichtsbeteuerungen im Genfer Außenministerkommuniqué: auf die Zweiteilung Bosnien-Herzegowinas zwischen der muslimisch-kroatischen Föderation und einem serbischen Staat.
Gemessen an völker- und menschenrechtlichen Grundsätzen sowie angesichts der aktuellen Haltung der Serben kann der Streit um 51 oder 58 Prozent Land für die muslimisch-kroatische Föderation durchaus als unwesentlich und müßig erscheinen. Mit beiden Modellen würden Teile der serbischen Eroberungen und „ethnischen Säuberungen“ endgültig sanktioniert. Die Serben wollen, wenn nicht die gesamten derzeit von ihnen besetzten 70 Prozent Bosniens, so doch auf jeden Fall weit mehr als 49 oder gar nur 42 Prozent behalten.
Die jüngste Genfer Außenministererklärung enthält keinerlei Hinweise zur Bereitschaft, überhaupt irgendein Modell durchzusetzen. Während die Zahl 51 allerdings willkürlich ist und von der EU lediglich aus optischen Gründen (die Opfer der Aggression sollen ein wenig mehr Land als die Täter erhalten) gewählt wurde, gibt es für die 58 Prozent immerhin politische Gründe und eine innere Logik. Mit diesem Modell würden wenigstens all jene Gebiete zur künftigen Föderation gehören, die vor Kriegsbeginn deutlich mehrheitlich von Muslimen und/oder Kroaten bewohnt wurden. Zur Föderation würden dann auch die derzeitigen muslimischen Enklaven in Ostbosnien (Goražde, Zepa, Srebrenica) gehören. Sie innerhalb eines künftigen von Serben kontrollierten Gebietes zu belassen würde entweder zur Massenumsiedlung von bis zu 200.000 Menschen oder zu dauerhaften Spannungen und Konflikten führen. Andreas Zumach
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