Nach der Bauausstellung: Scheitern als Chance
Die Architektenkammer Berlin diskutiert das Aus der Bauausstellung und über Formate zur Fortführung. Dabei wurde mehr geschimpft als geplant.
Über Tote soll man nicht schlecht reden, sagt eine Anstandsregel. Wenn alle Beteiligten der Diskussionsrunde „Nach dem Aus der IBA 2020 – was wird aus den positiven Ansätzen?“ dies beherzigt hätten, man wäre am Montagabend mit mehr Erkenntnissen nach Hause gegangen. Erst spät, und angestoßen durch einen Beitrag aus dem Publikum, kam die Veranstaltung der Architektenkammer Berlin in der Urania in Fahrt. Derart konventionelle Großprojekte wie eine Internationale Bauausstellung (IBA) „sind nicht mehr zeitgemäß“, bemerkte die Zuhörerin. Städte wie London oder Lissabon bedienten sich bei Fragen zu ihrer zukünftigen Stadtentwicklung „ganz anderer Formate – Festivals oder Architekturbiennalen – und führen dies mit anderen Beteiligten, nicht nur mit den Baubehörden, durch“. Könnte das ein Weg für Berlin sein?
Doch der Reihe nach: Mit Blick zurück auf die im Juni dem Rotstift geopferte IBA 2020 teilten die Architektin Cordelia Polinna und Volker Härtig, SPD-Bauexperte, erst einmal aus. Die Idee, mittels der IBA das Wohnen in Großsiedlungen aufzuwerten (Slogan: „Draußenstadt wird Drinnenstadt“), sei viel zu unkonkret gewesen, bemängelte Polinna. Eine städtebauliche Vision – etwa die Urbanisierung der großen Radialen Frankfurter oder Prenzlauer Allee – hätte mehr Sinn gemacht.
Richtig patzig wurde Härtig. Der IBA-Initiatorin, Baudirektorin Regula Lüscher, sei es nicht gelungen, die „richtigen Prioritäten zu setzen“. Statt sich auf einen Ort und ein Motto – wie bei der IBA 1984 auf Kreuzberg und die Stadterneuerung – zu konzentrieren, habe ein „quälend langer“ Diskussionsprozess nur „zu diffusen Vorstellungen“ wie „Sofortstadt“ oder „Raumstadt“ geführt. Härtig: „Die realen Probleme der Stadt hat der IBA-Zirkus nicht wahrgenommen.“ Was die realen Probleme aber sind, konnte auch Härtig nicht klar sagen.
Dass die Themen Wohnungsbau oder die Zukunft der Großsiedlungen sehr wohl Konkretes beinhalteten, erinnerte der Planer und Hochschullehrer Erhart Pfotenhauer. „Die Kritik, die IBA war ohne Programm, zieht nicht.“ Pfotenhauer und der Architekt Rainer Ernst waren es auch, die den obigen Faden nach „neuen Formaten“ aufgriffen. Ernst: „Vielleicht müssen wir das Label IBA beiseite schieben, um zu anderen Ansätzen mit anderen Akteuren zu kommen.“ Hochschulen, Künstler, Investoren, die Stadtgesellschaft und Architekten sollten zu diesen Akteuren zählen – als Alternativen zu Bauverwaltungen und politischen Interessen.
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