■ Nach dem schweren Anschlag in Sri Lanka: Am seidenen Faden
Gerade wenige Wochen im Amt, sieht sich die neue Premierministerin Sri Lankas, Chandrika Kumaratunga, einer ersten großen Krise gegenüber. Ihr Sieg war erstmals verbunden mit einem Mandat weiter Teile der singhalesischen Mehrheit für die Aufnahme von Verhandlungen mit den „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE), der tamilischen Guerillaorganisation, die für einen unabhängigen Tamilenstaat im Nordosten der Insel kämpft. Würde die LTTE das Verhandlungsangebot annehmen? lautete die entscheidende Frage. „Wir wollen Gespräche mit der Regierung“, verkündete LTTE-Ideologe Anton Balasingham, obwohl zahlreiche militärische Anschläge der LTTE diesen Aussagen folgten. Trotzdem hatte die Premierministerin erst am vorletzten Wochenende eine kleine Delegation auf den Weg ins nördliche Jaffna entsandt, um den Weg für politische Verhandlungen auf höchster Ebene zu bereiten, die nach den Präsidentschaftswahlen am 9. November aufgenommen werden sollten.
Die Wahlen als auch die Friedensgespräche sind nun nach einem schweren Terroranschlag, hinter dem die LTTE vermutet wird, verschoben worden. Sollte sich bewahrheiten, was einige Beobachter befürchtet hatten? Weshalb sollte die LTTE in eine Friedenslösung einwilligen, wenn etliche Regionen, die zum angestrebten Tamilenstaat zählen, de facto bereits von ihr „regiert“ werden? Tausende junger, indoktrinierter Kämpferinnen und Kämpfer haben in den letzten Jahren ihr Leben im Kampf für die Schaffung eines eigenen Tamilenstaates gelassen – Kompromisse sind da keine gefragt. Darüber hinaus hat LTTE-Chef Prabhakaran in der Vergangenheit immer wieder klargestellt, daß jeder, der den unabhängigen Staat „Tamil Eelam“ in Frage stelle, mit dem Tod bestraft würde.
Wie es jetzt in Sri Lanka weitergehen wird, ist kaum zu sagen: Eigentlich gibt es zu Friedensgesprächen keine Alternative, ansonsten ist der Zerfall des Landes nicht mehr aufzuhalten. Ob die neue Premierministerin nach den Vorfällen vom Sonntag allerdings noch die Unterstützung ihres Kabinetts und vor allem weiter Teile der singhalesischen Mehrheitsbevölkerung hat, ist äußerst fraglich. Walter Keller
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