Nach dem Unfall bei "Wetten, dass..?": Risiko-Wetten und Quoten-Jagd
Aus dem schweren Unfall bei "Wetten, dass ..?" will das ZDF Konsequenzen ziehen. Über ein neues Konzept, Waghalsigkeit und Quote soll diskutiert werden.
MAINZ/DÜSSELDORF dpa | "Wir müssen und wir werden bei der Auswahl der Wetten die Lehren aus dem Unfall ziehen." ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut kündigte eine genaue Untersuchung des Unfalls durch das ZDF an.
Während der Live-Übertragung der ZDF-Show am Samstagabend hatte sich ein Wettkandidat schwer verletzt. Der 23-jährige Samuel Koch war mit Federbeinen über fahrende Autos gesprungen und dabei gestürzt.
29 Jahre lang habe es bei "Wetten, dass..?" immer wieder sportive Wetten gegeben, so Bellut weiter. "Und es ist nichts Schwerwiegendes passiert." Bei jeder Sendung sei ein Sicherheits-Ingenieur dabei. Auch diesmal habe es in den Proben keine Hinweise gegeben, dass die Wette nicht machbar oder zu gefährlich sei.
Ministerpräsident und ZDF-Verwaltungsratschef Kurt Beck forderte eine Quotendebatte in dem öffentlich-rechtlichen Sender. Das ZDF dürfe gewissen Fragen nicht ausweichen. "Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten? Wie viel Risiko darf man eingehen?", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident der Zeitung Die Welt. "Und natürlich müssen wir auch über die Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote reden."
Der medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Dörner, forderte ein neues Konzept der Sendung. "Bestimmte Risikowetten sollten in Zukunft nicht mehr stattfinden", sagte Dörner der Zeitung Ruhr Nachrichten. Er sprach sich ebenfalls für eine neue Quotendebatte in den Medien aus und sagte: "Ich wäre sehr dafür, dass wir von der Sensationslust ein Stück weit wieder wegkommen."
Die Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rößner warnte vor einem gefährlichen Buhlen um Fernsehzuschauer. Sie appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Fernsehmacher, "im Kampf um bessere Quoten das Maß nicht zu verlieren". Die Zuschauer müssten sich fragen, ob sie den Druck des Höher, Schneller, Weiter wollten.
Der Medienexperte Christoph Neuberger warnte davor, nach dem Unfall von einer Tendenz zu immer spektakuläreren Eventshows zu sprechen. "Ein gewisser Druck durch das Schielen auf Zuschauerquoten ist sicher da", sagte der Kommunikationswissenschaftler der Universität Münster. "Aber pauschal würde ich auf keinen Fall eine Verschlimmerung in dieser Hinsicht bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Konkurrenz zu den privaten behaupten."
Kochs Zustand war am Sonntag nach Angaben der Klinik sehr kritisch, aber nicht lebensgefährlich. Er lag im künstlichen Koma. Er hatte laut Klinik eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule erlitten und zeigte Lähmungserscheinungen.
Leser*innenkommentare
Das Auge
Gast
Wieso Quotenjagd? Ich kuck mir doch keine Sendung an, weil da ein Schwachmat sein Leben aufs Spiel setzt - hab diese Sendung übrigens auch nicht gesehen. Quote kann man auch mit intelligenter Unterhaltung machen. Sowas wie diese "Wette" ist einfach nur pubertär.
J. R.
Gast
Jeder ist selbst für seine Handlungen verantwortlich. Der junge Mann, so schlimm ich seinen Unfall finde, und so sehr ich ihm wünsche, dass er wieder gesund wird, hat sich freiwillig auf diesen Weg begeben. Ja, das ZDF hat ihm eine Bühne dafür gegeben - aber das würde jeder Sender, auch und insbesondere "die Privaten". Man denke an die Casting-Shows, in denen psychischer wie auch körperlicher Schaden bewusst in Kauf genommen wird - von Kandidaten, Publikum, Jury und Redaktion. Auch dorthin wird keiner gezwungen.
Jetzt also bitte keine lauten Bigotterien gegenüber dem ZDF, sondern wenn überhaupt ein verbindlicher Verhaltenskodex für alle, privat wie ö-r.
Noncommital
Gast
Aha, jetzt sind sie also alle aufgewacht. Dabei war mir schon bei einigen anderen Wetten in den letzten Jahren ganz mulmig geworden, denn die Unfallgefahr war mehrmals da. Und dabei habe ich nicht jede Sendung gesehen (bin wirklich kein Fan... aber Familie wollte halt gucken).
Die meisten Menschen haben einfach kein Gefuehl fuer die Angemessenheit eines Risikos. Oder fuer Wahrscheinlichkeit, dass etwas schief geht. Je laenger (29 Jahre?!) es bei dieser Sendung keine Unfaelle gab, desto wahrscheinlicher wird ein Unfall.
Das ist wie mit Atomkraftwerken: dass seit zig Jahren kein Unfall passiert ist, sagt nicht viel ueber die Sicherheit des Systems aus. Igrndwann kommt das grosse BUMM.
Toby
Gast
Anstatt daß das mal jemand zum Anlass nähme, zu fragen, warum solch ein Blödsinn, wie eine Wettshow, überhaupt im Auftrag eines öffentlich rechtlichen Senders liegen sollte.