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■ Nach dem Tod Escobars nicht zur Tagesordnung übergehenDen Handel endlich erschweren

Einen vor allem symbolischen Wert mißt William Bennett, ehemaliger nationaler Drogenbeauftragter der US-Regierung, dem Tod Pablo Escobars zu – er zeige, daß es „möglich“ sei, sich gegen die bad guys durchzusetzen. US-amerikanisches Schwarzweiß- Schema hin oder her, Pablo Escobar war tatsächlich ein bad guy, wie er im Buche steht. Angesichts der Blutspur, die er seit den siebziger Jahren hinter sich herzog, kann es nicht verwundern, daß sein Tod nicht nur beim kolumbianischen Generalstaatsanwalt „Genugtuung“ hervorruft.

Pablo Escobar war aber schon immer mehr als ein einzelner, blutrünstiger Gangster. Nicht zufällig und nicht nur wegen der günstigen geographischen Lage etablierte sich der internationale Kokainhandel in Kolumbien: Die allseits grassierende Korruption, eine lange illegale Tradition und große soziale Gefälle prädestinierten Kolumbien regelrecht zur Drehscheibe des Kokainbooms. Keineswegs haben die Drogenhändler dort das Monopol krimineller Energie und Gewaltbereitschaft inne. Die über 100.000 gewalttätigen Todesfälle der letzten fünf Jahre gehen nur zu einem geringen Teil auf das Konto von Escobar und Konsorten – Teile der Streitkräfte und der Guerilla, die Paramilitärs und eine Vielzahl anderer Gruppen haben zu dem Gemetzel genauso beigetragen. Es wird der kolumbianischen Regierung nun schwerer fallen, die Krise wie gehabt allein den Drogenhändlern in die Schuhe zu schieben. Gerade auch, was die Menschenrechtsverletzungen seitens der Streitkräfte anbelangt, wäre sie nun theoretisch in Erklärungszwang.

Aber wird sie von einer Weltöffentlichkeit, die Kolumbien nur zu oft mit Kokainhandel gleichsetzt, noch danach gefragt?

Apropos Weltöffentlichkeit: Es wäre zu wünschen, daß sie nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergeht. Pablo Escobars Weg vom Autodieb zum Multimillionär ist erst durch die immensen Gewinnspannen des weltweiten Kokainhandels möglich geworden. Und diese Gewinnspannen entspringen der Prohibition bestimmter, doch – wie am Beispiel des Alkohols und der Beruhigungsmittel zu sehen – nicht aller Drogen. Erst dieses Verbot macht den Handel mit Marihuana, Kokain und Heroin attraktiv, erst dieses Verbot schafft Escobars in Kolumbien, Rußland, Italien. Nicht nur, um in Zukunft Blutzölle, wie Kolumbien sie zu entrichten hatte, zu verhindern, sondern auch, um mit dem Drogenkonsum umzugehen, sind konkrete internationale Schritte zur zumindest teilweisen Entkriminalisierung der Drogen längst überfällig. Ciro Krauthausen

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