piwik no script img

Nach Protesten gegen FlugroutenGeplanter Flughafen in der Kritik

Flugsicherung und Bundesministerium kneifen bei einer Anhörung zu den umstrittenen Flugrouten - statt dessen streiten Landespolitiker im Ausschuss darüber, wie wichtig der Flughafen BBI werden soll.

BBI light oder Parallelstarts? Politiker sind bei dem neuen Flughafen uneins Bild: dpa, Bernd Settnik

Der Flugrouten-Streit stellt nach Ansicht von Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) nicht den Standort Schönefeld oder die Größe des geplanten Flughafens in Frage. "Wir haben uns entschieden für den Ausbau des BBI, einen Flughafen light wird es jetzt nicht geben", sagte die Senatorin am Montag im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses. In der seit Monaten kochenden Debatte darüber, wie und wie häufig Flugzeuge von Berlin Brandenburg International (BBI) starten und landen, war der Standort Schönefeld in Frage gestellt worden. Heftig diskutiert wird zudem, welche Kapazität der Großflughafen und die Region brauchen - vor allem wegen der geplanten gleichzeitigen Starts auf Parallelbahnen. Würden Flugzeuge nur einzeln starten, würden tausende Anwohner weniger lärmbelastet.

Junge-Reyer wandte sich damit gegen Äußerungen der grünen Spitzenkandidation für die Abgeordnetenhauswahl 2011, Renate Künast. Sie hatte am Morgen im rbb-Inforadio eine Grundsatzdebatte über die Funktion des Flughafens gefordert. "Es geht darum, ob der Flughafen ein internationales Drehkreuz oder ein Verbindungsairport nach Europa werden soll", sagte Künast. Die Bundespolitikerin wurde am Abend bei der Demonstration der Flugroutengegner in Lichtenrade erwartet. Die grüne Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling stellte sich derweil hinter Künast. "Wir sind gegen Billigflugtourismus und wir wollen Chancengleichheit zwischen Flug und Bahn", sagte sie. Die Grünen stellten nicht den BBI in Frage, wohl aber dessen Größe. "Wir hätten ihn gern ein bisschen kleiner gehabt."

Flughafen-Chef Rainer Schwarz verteidigte bei einer Anhörung die geplante Drehkreuzfunktion des Flughafens, der im Juni 2012 öffnen soll. Um die zahlreichen Starts und Landungen zu bewältigen, müssten in Spitzenzeiten Maschinen von beiden Pisten parallel und unabhängig von einander fliegen, sagte Schwarz. Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin baut in Berlin so einen Verkehrsknoten für Weiterflüge auf. Schwarz hofft, dass in einigen Jahren die Lufthansa nachzieht.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hatte Anfang September ihre Vorschläge für Routen ab und nach BBI vorgestellt. Demzufolge sollen die Flugzeuge auch über die Köpfe zehntausender Südberliner fliegen, die sich bislang vom Lärm verschont wähnten. Die Einladung zur Anhörung schlug sie aus, auch das Bundesverkehrsministerium als vorgesetzte Behörde erschien nicht. Die Abgeordneten reagierten quer durch die Fraktionen mit Verärgerung und Unverständnis - immerhin könnte die DFS mit konkreten Überflughöhen und Zahlen zu den erwarteten Flugbewegungen dazu beitragen, die Diskussion zu versachlichen.

Die Behörde tritt seit Wochen nicht mehr öffentlich auf. Auch mit der taz vereinbarte Interviewtermine wurden mehrfach abgesagt. Ihr Dienstchef, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), hatte die DFS zuvor öffentlich gerügt für die Flugrouten-Vorschläge. In einem persönlichen Brief an den Brandenburger Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger äußerte sich Ramsauer deutlich zurückhaltender. "Für die Erstellung von Flugrouten gibt es einen festgelegten Prozess, welcher sich in ganz Deutschland seit Jahrzehnten bewährt hat", heißt es in dem Schreiben von Ende November. Ein Ministeriumssprecher erklärte dazu, Ramsauer habe zuvor die Kommunikation der DFS missgebilligt - nicht aber deren Arbeit. Die endgültigen Flugrouten sollen im März 2012 vorgestellt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!