Nach Pannenserie in AKWs: Reaktoren bleiben dem Netz fern
Das zuständige Kieler Sozialministerium lässt die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel abgeschaltet und fordert weitere Reparaturen.
BERLIN taz Die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel bleiben "noch für einige Zeit abgeschaltet". Das teilte die für die Atomsicherheit in Schleswig-Holstein zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) am Montag mit. Brunsbüttel werde frühestens Ende März, Krümmel erst Mitte Mai betriebsbereit sein. Beide Kraftwerke waren im vergangenen Sommer nach Pannen abgeschaltet worden.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warf Trauernicht gestern dennoch "Untätigkeit und Schweigsamkeit gegenüber dem Bundesumweltminister" vor. Ministerielle Gutachter in Kiel hätten Ende 2006 eine Reihe von Nachbesserungen an der Notstromversorgung in Brunsbüttel gefordert. Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht habe diesen Prüfbericht trotz offensichtlich drängender Sicherheitsmängel im AKW aber nicht dem Bundesumweltministerium zur Kenntnis gegeben, wirft die DUH dem Kieler Ministerium vor.
Die Sachverständigen in Kiel forderten 2006 außer den seither umgesetzten Schritten mittelfristige Maßnahmen zur Ertüchtigung der Notstromversorgung, wie aus dem internen Bericht hervorgeht. Dabei geht es vor allem um die Anschaffung von vier unabhängigen Notstromsystemen; derzeit existieren drei solcher Systeme, die miteinander verbunden sind. Die Gutachter im Ministerium stellten zudem fest, "dass auch bei einer zügigen Realisierung der mittelfristigen Lösungen eine Inbetriebnahme nicht vor Januar 2009 möglich ist".
Dies kollidiert möglicherweise mit den Interessen des Betreibers Vattenfall. Für den Stromkonzern sind Nachrüstungen unattraktiv, die zwei bis vier Jahre dauern, weil das AKW Brunsbüttel nur noch eine Restlaufzeit von eineinhalb Jahren hat. Das Ministerium als Atomaufsicht scheint diese Sicht des Betreibers zu teilen, denn es betont, dass "bei langfristigen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden" müsse.
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake hielt dem am Montag in Berlin entgegen, das Ministerium dürfe "nur nach Sicherheitsaspekten entscheiden, um die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren". Der Kraftwerksbetreiber Vattenfall habe "offensichtlich nichts gelernt", da er immer noch schwerwiegende Risiken bei der Notstromversorgung seiner Atomkraftwerke nicht behebe.
Bei einem Unfall im von Vattenfall betriebenen AKW Forsmark in Schweden waren 2006 nur zwei von vier Notstromaggregaten mit Verzögerung angesprungen. Ein Stromausfall und ein anschließendes Versagen der Notstromaggregate führen in einem Atomkraftwerk unweigerlich zur Kernschmelze im Reaktor.
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