Nach Koranverbrennung eines US-Pastors: Anhaltende Proteste in Afghanistan
Wieder protestieren Tausende in Afghanistan gegen die Koranverbrennung durch einen US-Pastor. Der will nun über den islamischen Propheten Mohammed Gericht halten.
KABUL taz | In Afghanistan hielten am Sonntag und damit den dritten Tag infolge Demonstrationen gegen die Koranverbrennung durch den US-Geistlichen Terry Jones an. Im Vergleich zu den gewalttätigen Vorgängen vom Freitag im nordafghanischen Masar-i-Scharif und am Sonnabend im südafghanischen Kandahar, bei denen es 23 Tote und etwa 100 Verletzte gegeben haben soll, blieben sie relativ friedlich.
In den Provinzen Nangrahar und Laghman in Ost- sowie Parwan in Zentral-Afghanistan versammelten sich jeweils mehrere hundert Menschen. Sie riefen US-feindliche Parolen, verbrannten Reifen und blockierten dabei zeitweise zwei die wichtigsten Verkehrsadern des Landes.
Gewalttätiger ging es in Kandahar zu. Während ein andauerndes Sit-in von Studenten auf dem Universitätsgelände ruhig blieb, waren aus dem von der Polizei abgeriegelten Zentrum immer wieder Schüsse zu hören, berichteten Einwohner der taz per Telefon. Die Demonstranten hätten auch Anti-Karsai-Parolen gerufen.
Auch in ländlichen Distrikten Kandahars, in Daman und Pandschwai, fanden kleinere Proteste statt, bei denen die Polizei Schusswaffen einsetzte. Elf Menschen sollen verletzt worden sein, so die afghanische Webseite Benawa unter Berufung auf Ärzte in Kandaharer Kliniken.
Ruhe in Herat
Im westafghanischen Herat dagegen, wo am Sonnabend nach einem gemeinsamen Aufruf des gewählten Provinzrates und des örtlichen Rates der islamischen Geistlichkeit die landesweit größten Proteste mit etwa 10.000 Teilnehmern stattfanden, war es am Sonntag ruhig. Die Demonstranten hatten die Einsetzung eines internationalen Tribunals verlangt, das über Pastor Jones Provokation verhandeln solle, kritisierten aber auch die Vorgehensweise der westlichen Truppen in Afghanistan generell.
Ein Koranschüler des einflussreichen Gusargah-Schreins in der Stadt erklärte, die Bevölkerung werde sich den Taliban anschließen, wenn diese Forderungen nicht erfüllt würden.
Präsident Hamid Karsai bedauerte am Sonntag die Todesopfer, mahnte die Polizei zu Besonnenheit, nahm aber auch Forderungen der Protestierenden auf und forderte die Vereinten Nationen und die USA auf, Jones zur Verantwortung zu ziehen.
Der hat inzwischen angekündigt, nun auch einen Schauprozess gegen den Propheten Mohammed zu veranstalten.
Bei der Attacke auf das UNO-Büro von Masar-i-Scharif am Freitag kamen nach nun vorliegenden Angaben drei Mitarbeiter - eine Norwegerin, ein Schwede und ein Rumäne -, vier Wachleute aus Nepal sowie sieben afghanische Demonstranten um. Angaben der Polizei über eine Enthauptung zweier Opfer bestätigten sich nicht.
Mitarbeit: Gran Hewad und Fabrizio Foschini
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!