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Nach Joschka Fischers Kotau: Weitere Vorschläge für EntschuldigungenEin „Sorry“ den Kosovo-Zivilisten

betr.: „Joschka Fischer im Faustkampf“, taz vom 4. 1. 01, „Die Gewalt war beidseitig“, Kommentar vom 6. 1. 01 etc.

Meine 6 cm und 4 cm langen Narben auf dem Kopf schmerzen wieder – obgleich sie vor 33 Jahren bei einer Sitzblockade vor dem Axel-Springer-Haus in Hamburg entstanden sind. Wir Demonstranten waren damals – ebenso wie die Polizisten – unbehelmt. Ein Polizist schlug mit seiner ganzen Kraft auf meine Schultern, Unterarme, die ich schützend erhob, und auf meinen Kopf, immer wieder, um mich zum Aufstehen zu bewegen. Ich ging, blutüberströmt mit Rissen in der Kopfhaut, mit Gehirnerschütterung und Prellungen ins Altonaer Krankenhaus. Ich möchte, dass sich der Polizist bei mir entschuldigt für ausgeübte Gewalt. Der Polizist hat „nicht erst in Notwehr zugeschlagen“! Wenn der Beamte nicht ausfindig zu machen sein sollte, nehme ich auch eine Entschuldigung des Polizeipräsidenten an. INGE JAHNKE, Hamburg

Herr Eisenberg hat es treffend gesagt: „Anlass für Entschuldigungen gibt es daher für keine Seite – sondern nur Anlass auf beiden Seiten, zu lernen und gesellschaftliche Konflikte ohne Gewalt auszutragen.“

Schämen sollten sich Herr Fischer & Co dafür, dass sie ihre einstigen Ideale „ohne Gewalt“ über Bord geworfen haben: Herr Fischer löst nunmehr Konflikte im Kosovo mit Krieg, für dessen Rechtfertigung Verteidigungsminister Scharping einen raffinierten „Hufeisenplan“ erfinden lässt. Herr Schlauch biedert sich im Tarifstreit bei den Unternehmen an. Der ehemalige RAF-Verteidiger Schily stellt sich in Sachen Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen schützend vor Kohl, vielleicht hat er selber eine interessante Akte im Stasi-Archiv. Und das einzige Verhältnis, das der ehemalige Revoluzzer und heutige Auto-Kanzler Schröder noch zu links hat, ist seine Leidenschaft für 80-$-Zigarren aus dem kommunistischen Kuba. Rot-Grün ist auch nicht mehr das, was die Zukunft mal war.

HARALD PAPENFUSS, Erfurt

Wo Außenminister Fischer gerade so schön beim Entschuldigen ist: Er möge die Zivilisten im Kosovo um Verzeihung bitten für die kostenlose Versorgung mit uranhaltigen Geschossen, er möge den Soldaten ein „Sorry!“ hinterherrufen für die radioaktive Verseuchung, und er möge bekennen, ganz vergessen zu haben, dass der Einsatz strahlender Waffen schon seit dem Golfkrieg bekannt ist. Doch für den Großteil der meinungsbildenden Klasse im Land gibt es keinen Grund zum Hohn auf Fischer und Scharping: Der Kosovokrieg wurde selbst von Leuten, von denen man anderes erwartet hätte, für notwendig erachtet. Nie wieder Krieg, wirklich: Nie! MANFRED HARTMANN, Unna

Fischers Weg ist für mich der beste Beweis, dass es „klappt“ mit der Demokratie. Früher ein „Straßenkämpfer“, heute ein geachteter Außenminister. An einem bestimmten Punkt traf er seine Entscheidung. Während andere auf dem eingeschlagenen Weg in die Ausweglosigkeit weiter und bis zum eigenen Ende gingen, machte er sich auf den langen Marsch durch die Institutionen. Ein Held ist er dafür noch lange nicht. Aber er beweist der jungen Generation, dass es sich am Ende „lohnt“, rechtzeitig umzukehren oder einen anderen Weg zu gehen. HEIDEMARIE WÄTZOLD, Berlin

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