Nach Aus für CCS-Kraftwerk: Bund und Länder zoffen sich
Weil sich die Politik nicht auf ein Gesetz zur CCS-Lagerung einigen kann, bläst Vattenfall den Bau eines Demokraftwerks ab. Die Aktivisten freut es, in der Politik war's keiner.
BERLIN taz | Der brandenburgische SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck hat einen Schuldigen gefunden: "In Anbetracht des Unvermögens der schwarz-gelben Bundesregierung, einen mehrheitsfähigen Gesetzentwurf vorzulegen, war die jetzige Entscheidung von Vattenfall absehbar", schimpfte er von Potsdam aus nach Berlin.
Der schwedische Konzern hatte am Montagabend eine 1,5 Milliarden-Euro-Investition in ein Kohlekraftwerk in Jänschwalde in seinem Bundesland abgeblasen. Es sollte bis 2016 das erste Großkraftwerk mit CCS-Technik in Deutschland werden. Das englische Kürzel steht für "Carbon Capture and Storage", dabei soll Kohlendioxid aus der Abluft gefiltert und unterirdisch eingelagert werden, um der Atmosphäre das Klimagas zu entziehen.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wiederum sieht die Bundesländer als die Schuldigen. "Verschiedene Bundesländer haben sich leider dagegen ausgesprochen, diese Technologie zu erproben, obwohl die Länder auf ihren Wunsch wirksame Mitspracherechte erhalten haben. Das ist nicht hilfreich", teilte er mit.
Die Entscheidung von Vattenfall kommt eine Woche, bevor der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag erneut versucht, eine Einigung über ein CCS-Gesetz zu finden. Darin soll geregelt werden, unter welchen Bedingungen die Technik in Deutschland erprobt werden soll.
Vattenfall setzt weiter auf CCS-Technik
Vattenfall wollte einen 250-Megawatt-Braunkohlekraftwerksblock durch einen neuen mit CO2-Abscheidung ersetzen und einen weiteren für eine Teilabscheidung nachrüsten. Die EU hatte zugesagt, das Projekt mit 180 Millionen Euro zu fördern. Allerdings drohten die Gelder wegzufallen, weil sich der Bau wegen des fehlenden Gesetzes in Deutschland verzögern könnte.
Für Vattenfall ist die Technologie trotzdem nicht gestorben. Man baue darauf, dass andere Unternehmen das CCS-Verfahren weiterentwickeln und zur Serienreife bringen, sagte eine Sprecherin. Zudem sollen die Forschungen in der brandenburgischen Versuchsanlage Schwarze Pumpe weiterlaufen.
Gegen CCS haben sich in den betroffenen Gebieten Bürgerinitiativen formiert. Sie bewerten den Vattenfall-Ausstieg erwartungsgemäß positiv. "Sobald keine direkten Subventionen durch die Steuerzahler mehr in Aussicht stehen, zieht sich Vattenfall zurück", sagte Udo Schulze von der Bürgerinitiative "CO2-Endlager stoppen". "Das zeigt doch, dass das ganze Konstrukt CCS letztlich an öffentlichen Geldern hängen bleiben soll."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen