piwik no script img

Archiv-Artikel

NUR KLEINE KÄMPFE BRINGEN DIE FDP NOCH IN DIE SCHLAGZEILEN Sekundärtugenden statt Programme

Die Inszenierung ist gelungen, zugegeben. Die FDP hat es geschafft, maximales Medieninteresse zu erzeugen, obwohl sich auf ihrem Dreikönigstreffen nichts ereignete. Der Trick ist stets der gleiche: Vor dem Parteitag wird ein kleiner Machtkampf ausgetragen, auf der Versammlung folgt die Versöhnung. Das Parteivolk klatscht, Standing Ovations sind das Mindeste, während sich das Präsidium auf der Bühne demonstrativ zusammenrottet.

Zu viel Kontroverse mögen die Wähler nicht, aber ein bisschen Streit muss sein, damit die FDP in die Schlagzeilen kommt. So war es auch gestern. Vorher hatten sich Fraktionschef Wolfgang Gerhardt und FDP-Vize Walter Döring noch einmal über die Kanzlerkandidatur von Guido Westerwelle mokiert und eine „Rückkehr zum Ernst“ gefordert. Hinterher war alles verziehen, nicht vergessen. Beim nächsten Parteitag, das ist vorauszusehen, muss wieder ein Minidissens organisiert werden, um Aufmerksamkeit zu erheischen.

Denn jenseits dieser medialen Konfliktstrategie hat die FDP nichts zu bieten. Das wurde am Beitrag von Westerwelle deutlich, der eine zukunftsweisende Grundsatzrede abliefern wollte. Doch zu hören waren nur Versatzstücke aus dem Parteiprogramm, das schon im Mai in Mannheim beschlossen wurde: Leistung soll sich wieder lohnen, der Sozialstaat muss vor den „Faulen geschützt“ werden. Außerdem ist die „Freiheit die Wurzel der Freien Demokraten“. Das grenzt an Tautologie.

Selbst Liberale lassen sich von solchen Sinnsprüchen kaum noch begeistern, wie die Klatschkurve zeigte. Ihre Hände regten sich am stärksten, als Westerwelle „Fleiß, Disziplin, Ehrlichkeit und Höflichkeit“ einforderte. Inzwischen sind die Liberalen so orientierungslos, dass sie Sekundärtugenden mit Programmatik verwechseln. Insofern zeigen die beiden Landespolitiker Walter Hirche in Niedersachsen und Ruth Wagner in Hessen den richtigen Instinkt: Sie haben sich bedingunglos einer Koalition mit der CDU ausgeliefert. Denn nur als Mehrheitsbeschafferin kann die FDP die Landtagswahlen am 2. Februar überleben. Ihr fehlt die Substanz für eine „Programmpartei“. Dieses Wort entstammt nur der Gebetsmühle von Westerwelle.

ULRIKE HERRMANN