NS–Arzt streitet Schuld ab

■ Heinrich Bunke, Angeklagter im Frankfurter Euthanasieprozeß, hält sich nicht für strafrechtlich verantwortlich

Frankfurt (dpa) - In seiner ersten Stellungnahme zur Anklage wegen Beihilfe zum Mord an Tausenden von Geisteskranken in der NS–Zeit hat der Frauenarzt Heinrich Bunke (72) am Montag im Frankfurter Euthanasie–Prozeß eine „strafrechtliche Schuld“ bestritten. „Eine strafrechtliche Schuld vermag ich nicht zu erkennen und bestreite sie. Heute ist mir klar, daß die Euthanasie–Aktion Mord war. Ich bedaure zutiefst, daran teilgenommen zu haben“, sagte der Angeklagte aus Celle nach fast einjähriger Verhandlung. Bunke betonte, sein Anteil an der gesamten Aktion sei „gering“ gewesen. Während seiner rund dreimonatigen Dienstzeit in der Tötungsanstalt Brandenburg/Havel im Jahr 1940 sind nach Erkenntnis des Gerichts vermutlich 1.200 Geisteskranke vergast worden. Seine Aufgabe habe darin bestanden, nach kurzem Ansehen der Todeskandidaten und ihrer Krankenakten eine Todesursache zu erfinden, die mit eventuellen früheren Krankheiten der Patienten vereinbar war. Aufgrund dieser fiktiven Diagnosen habe er „Trostbriefe“ an die Angehörigen der Ermordeten unterzeichnet. Diese Benachrichtigungen seien von den Empfängern nur in seltenen Fällen in Zweifel gezogen worden. Über die rechtliche Grundlage der Aktion sagte Bunke, ihm sei dazu von dem Psychiater Werner Heide gesagt worden, es liege ein schriftlicher Führerbefehl vor, wonach unheilbaren Geisteskranken der „Gnadentod“ zu gewähren sei. Außerdem habe Heide erwähnt, daß auf diese Art Lazarettraum freigemacht werden sollte. „Ein Führerbefehl war für uns damals absolut gleichbedeutend mit einem Gesetz“, sagte Bunke. Der Prozeß wird am kommenden Montag fortgesetzt.