NRW-Landtag schafft Studiengebühren ab: Studieren geht über Gebühren
Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen hat ein zentrales Wahlversprechen eingelöst: Studiengebühren fallen weg. Trotz Kritik hat die Linkspartei zugestimmt.
DÜSSELDORF taz | Die Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen werden abgeschafft. Mit den Stimmen der SPD, der Grünen und der Linkspartei beschloss der Düsseldorfer Landtag am Donnerstagnachmittag, dass die Hochschulen an Rhein und Ruhr ab dem kommenden Wintersemester ihre Studentinnen und Studenten nicht länger zur Kasse bitten dürfen. In namentlicher Abstimmung stimmten 98 Abgeordnete für die Abschaffung und 76 dagegen.
Damit hat die rot-grüne Minderheitsregierung eines ihrer zentralen Wahlversprechen eingelöst. Die Einführung der Studiengebühren durch die schwarz-gelbe Vorgängerregierung im Jahr 2006 sei "eine Rolle rückwärts in die Sechzigerjahre" gewesen und habe zu einer nicht hinnehmbaren sozialen Auslese geführt, sagte Landeswissenschaftsministerin Svenja Schulze. Hätte es zu ihrer Studienzeit eine solche Unimaut gegeben, hätte sie "sicherlich nicht studieren können", bekundete die frühere Bochumer AStA-Vorsitzende. Auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft betonte in der Plenardebatte, die Gebührenabschaffung sei "eine Frage der sozialen Gerechtigkeit".
In einer zum Teil äußerst hitzig geführten Debatte bestritten Redner von CDU und FDP demgegenüber vehement die abschreckende Wirkung für Kinder aus einkommenschwachen Familien und plädierten für die Beibehaltung der von ihnen eingeführten Regelung. "Fundamentale Verweigerungspolitik" warf ihnen der Linkspartei-Abgeordnete Rüdiger Sagel daraufhin vor. Seine Fraktion hätte gerne die Gebühren schon zum Sommersemester wegfallen lassen und trat auch für eine höhere Kompensation für die Hochschulen ein. Sie scheiterte allerdings mit entsprechenden Änderungsanträgen. Trotzdem stimmte sie in der Schlussabstimmung dem rot-grünen Antrag zu.
Derzeit erheben 32 der 37 staatlichen Hochschulen in NRW Studiengebühren, 20 davon den Höchstsatz von 500 Euro pro Semester. Im Unterschied zu anderen Bundesländern konnten in NRW bisher die Hochschulen selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Gebühren erheben. Als Ausgleich für die künftig wegfallenden Einnahmen wird ihnen nun das Land jährlich Mittel in Höhe von mindestens 249 Millionen Euro zweckgebunden zur Verbesserung der Lehr- und der Studienbedingungen zur Verfügung stellen.
Die Summe orientiert sich daran, was den Hochschulen nach eigenen Angaben netto 2009 an Gebühreneinnahmen zur Verfügung stand. Verteilt wird das Geld allerdings nicht nach der Höhe der bisher von der jeweiligen Hochschule eingenommenen Gebühren, sondern nach der jeweiligen Anzahl der Studierenden.
Nach der Entscheidung in Düsseldorf bleiben nun nur vier Länder übrig, in denen Studierende fürs Studium zahlen müssen: Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und - noch - Hamburg.
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