NPD nach Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Neonazis praktizieren Abbau Ost
Die NPD hat alles auf Sachsen-Anhalt gesetzt - und verloren. Jetzt steht sie vor dem finanziellen Ruin. Ein Grund zur Beruhigung ist das nicht.
BERLIN taz | Um 23.30 Uhr stellte die NPD ihre Liveberichterstattung im Netz ein. Da war die Hoffnung der Rechtsextremen, den Einzug in den Magdeburger Landtag noch zu schaffen, endgültig gestorben.
7 Prozent hatten sich die Neonazis erhofft - 4,6 Prozent haben am Ende für die NPD gestimmt. Das sind 45.697 Wähler: rund 4.000 zu wenig, um die Partei nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in den dritten Landtag einziehen zu lassen. "Das ist ein Schlag ins Kontor", sagte NPD-Landespressesprecher Michael Grunzel am Sonntagabend im Landtag.
Spitzenkandidat Matthias Heyder und NPD-Bundeschef Udo Voigt hatten sich in einem Hotel in der Nähe für den Einmarsch ins Parlament bereitgehalten. Daraus wurde nichts, und so musste der rechte Tross enttäuscht zur Wahlparty in die Gaststätte Hot Stone am Rand der Magdeburger Innenstadt ziehen.
Dort versuchten die NPD-Spitzen vor rund 200 Gästen den Misserfolg schönzureden: Es sei die professionellste NPD-Kampagne aller Zeiten gewesen; wäre es nur gelungen, das Nichtwählerlager noch stärker für sich zu gewinnen, hätte man es geschafft, so die Parteivorderen.
Wahlkampf in Sachsen-Anhalt ist für die NPD ein riesiges Verlustgeschäft
Das mag sogar stimmen, doch nun ist die verlorene Wahl vor allem eines: ein finanzielles Desaster für die NPD - und ein mächtiger Rückschlag bei dem Versuch, sich im Osten vollends als braune Regionalpartei zu etablieren. Fliegt die NPD im September in Schwerin nun auch noch aus dem Parlament, sind die Pläne vorerst gescheitert.
An einen solchen "Dominoeffekt" mag der Magdeburger Rechtsextremismusexperte David Begrich noch nicht glauben. Dafür sei die NPD in Mecklenburg-Vorpommern viel zu stark regional verankert; dennoch sei das Ergebnis vom Sonntag ein klarer Dämpfer für die Gesamtpartei.
Zwar bekommt die NPD für ihre Stimmen in Sachsen-Anhalt jetzt Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung: Rund 23.000 Euro für die Landespartei und bis zu 16.000 Euro für die Bundespartei gibt es 2011 dafür - genau lässt sich dies wegen der komplizierten Berechnung erst zum Jahresende sagen. Trotzdem bleibt der Wahlkampf ein Verlustgeschäft: Eine Viertelmillion Euro hat die NPD in Sachsen-Anhalt investiert. Von einer "Schicksalswahl" war in internen Mails die Rede, die "nur über eine gigantische Materialschlacht" zu gewinnen sei.
Wäre die NPD in den Landtag gekommen, hätte sie nicht nur mehrere Kandidaten ihrer besonders radikalen Jugendorganisation JN im Parlament untergebracht, sie hätte auch weiteres Fußvolk mit Fraktionsmitarbeiterposten versorgen und sich so indirekt finanziell konsolidieren können.
Größeres finanzielles Unheil
Wie wichtig die NPD die Wahl nahm, zeigte auch, dass sie einen ihrer wichtigsten Kader zum Wahlkampfleiter machte: Holger Apfel, Fraktionschef in Sachsen. Dem Landesverband Sachsen-Anhalt drohte der in internen E-Mails, "dass er auf Jahre hinweg keine Sprünge machen kann, wenn Ihr nicht in den Landtag reinkommt".
Und es kommt noch größeres finanzielles Unheil auf die NPD zu: Noch in diesem Jahr soll vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über Rückzahlungen an den Bundestag verhandelt werden. Wenn es für die NPD schlecht läuft, muss sie nicht nur 1,27 Millionen Euro zahlen, wie in erster Instanz entschieden wurde, sondern das Doppelte. "Die NPD schrammt knapp an der Pleite entlang", sagt der Düsseldorfer Parteienforscher Martin Morlok.
Niedriges Wahlergebnis kein Grund zur Entwarnung
Groß ist auch bei den demokratischen Parteien die Erleichterung, dass die NPD den Einzug in Sachsen-Anhalt nicht geschafft hat. Von einem "außerordentlich guten Signal" sprach Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Doch Experten warnen vor Entwarnung. Denn in einem Wählersegment war die NPD erschreckend erfolgreich: Bei den jungen Männern zwischen 18 und 24 Jahren kommen die Rechtsextremen laut Infratest dimap auf 18 Prozent - nur die CDU war hier stärker. Anders als beim Erfolg der DVU 1998 lagen die NPD-Hochburgen nicht im sogenannten Chemie-Dreieck nördlich von Halle, sondern im südwestlichen Hinterland, dem Saale-Unstrut-Raum. Dort sitzen auch zwei der NPD-Skandal-Kandidaten: Der Ex-SPD-Ortsbürgermeister Hans Püschel und Lutz Battke, ein Schornsteinfeger mit Vokuhila und Hitlerbärtchen.
Die Anhänger in diesen Hochburgen werden bleiben, auch wenn die NPD nicht im Landtag sitzt. "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen", sagt eine Verfassungsschützerin. Nicht mehr, nicht weniger.
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