NPD fasst Fuß: Neonazis im Südharz
Der Südharz in Niedersachsen entwickelt sich zum Rückzugsraum für Neonazis, sagen Vertreter von Antifa-Gruppen. Die CDU vor Ort hat kaum Berührungsängste.
BAD LAUTERBERG taz Die Innenstadt von Bad Lauterberg im Harz gab am Samstag ein bizarres Bild ab. Ein mehrere Hundert Mann starker Demonstrationsblock schob sich durch die von Fachwerkhäusern gesäumten Straßen. Antifagruppen, Gewerkschaften und Parteien hatten zu der Demonstration gegen die örtlichen Neonazistrukturen aufgerufen. Das passte den Bad Lauterbergern gar nicht. Vielen war die Demo ein Dorn im Auge, zahlreiche Geschäfte schlossen, bevor der schwarze Block die Einkaufstraße erreichte.
Dabei sollten die Bad Lauterberger ganz andere Sorgen haben. Seit Jahren kommt es in der Stadt zu scheinbar systematischen Zuzügen von Neonazis aus der ganzen Bundesrepublik. "Der Südharz ist für Neonazis zu einem bedeutsamen Rückzugsraum geworden, in dem sie ihre Strukturen organisieren können" beklagte unlängst eine Sprecherin einer Göttinger Antifagruppe. David Janzen von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt in Braunschweig beobachtet, wie die NPD dort ihre Strukturen verfestigt. "Seit 1999 wird in Bad Lauterberg ganz gezielt versucht, die NPD aufzubauen und jüngere Leute mit einzubeziehen" berichtet er im Gespräch mit der taz. Dieses taktische Vorgehen ist Janzen auch aus anderen Regionen bekannt. So versuche die Partei vielerorts, in strukturschwachen Regionen Fuß zu fassen, weil es dort relativ geringen Widerstand gebe. Auch der Harz sei eine solche Region, wo die NPD gute Chancen habe, gesellschaftlich akzeptiert zu werden.
Die bürgerliche Mitte im Landkreis Osterode, allen voran die CDU, hat größten Teils keinerlei Berührungsängste mit den Rechtsextremen. Der Herzberger Bürgermeister Gerhard Walter (CDU) schaffte es im vergangenen Frühjahr in die bundesweiten Medien, weil er auf einem Landesparteitag der NPD zu Gast war und die NDR-Journalistin Andrea Röpke bedrohte. Er gab an, die anwesenden Reporter für einen "Aufklärungstrupp der Antifa" zu halten. Mit der wollte er nichts zu tun haben, sorge sie doch regelmässig für Sachbeschädigungen. Ähnliche Distanz baut die Partei gegenüber dem bürgerlichen Bündnis "Bunt statt Braun" auf. So stelle Hermman Lückert vom CDU-Ortsverband Herzberg in einem Leserbrief fest, dass es sich bei den Bündnismitgliedern nicht um Demokraten handele.
Für demokratisch hält sich die NPD, die zu den Landtagswahlen in Niedersachsen am 27. Januar antritt. Für deren Wahlkampf hat die Region zentrale Bedeutung. Parteimitglieder aus dem Harz kandidieren im ganzen Land, unabhängig von ihrem Wohnsitz. Das zeige, wie stark die NPD im Harz sei, so David Janzen. Andernorts mangele es ihr schlicht an Kandidaten. "In anderen Regionen haben die NPD Mitglieder Angst, öffentlich aufzutreten. Das haben sie ganz offensichtlich im Harz weniger."
In Bad Lauterberg hat die NPD mit Michael Hahn einen Mann im Stadtrat sitzen, der laut Janzen früher gerne als Skinhead prügelnd durch Berlin zog. Auch im Harz gehört Gewalt zu den Mitteln der Neonazis: Im letzten Jahr wurde ein 14-jähriger Schüler von mehreren Erwachsenen mit Holzlatten verprügelt. "Auf öffentlichen Veranstaltungen, wie zum Beispiel Schützenfesten, gehen Gruppen von Neonazis Patrouille und schlagen alternative Jugendliche zusammen" berichtete der Projektbeauftragte des Kreisjugendrings Osterode für die Koordinierungsstelle im Bundesprogramm "Vielfalt tut gut". Wesentlich häufiger erlebten die Jugendlichen Einschüchterungsversuche.
Die Proteste gegen rechts zeigen erste Erfolge, Immobilienbesitzer distanzieren sich und drohen ihren Pächtern mit Konsequenzen. Aber auch nach der Demonstration am Samstag wird es weiter rechte Selbstverständlichkeiten in der Region geben. Am Geburtstag Adolf Hitlers wird in vereinzelten Ortschaften im Landkreis in diesem Jahr wieder die Dorfflagge aus den Fenstern hängen. Die Bewohner, die neugierig den Demozug beobachteten, waren sich indes sicher: "In Bad Lauterberg gibt es kein Neonazi-Problem!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!