■ NOCH 3304 TAGE BIS ZUM JAHR 2000: Verwöhnte Steaks
Wenn's ums Essen geht, verstehen die Franzosen keinen Spaß. Mehrere Trüffelverarbeitungsbetriebe sind in letzter Zeit in Frankreich in Verruf geraten, weil sie weniger wertvolle weiße Trüffel aus Nordafrika eingeschwärzt und als echte schwarze verkauft haben. Die Preise für die „schwarzen Diamanten“ schnellen derweilen in die Höhe. Das Kilogramm schwarze Trüffel wird zur Zeit für 3.000 Francs (885 Mark) gehandelt. Es ist auch ein neues Rindfleisch auf dem Markt, das als „eines der besten der Welt“ gilt.
Das „Boeuf de Coutancie“, wie es genannt wird, kommt aus der Dordogne. Dort, in Südwestfrankreich, wo noch die gute alte Tradition des Stopfens von Enten und Gänsen gepflegt wird, hat ein Landwirt einen Weg der Rinderzucht gefunden, gegen den auch Tierschutzvereine keine Argumente finden dürften. Die Tiere des Bauern Charles Dufraisse werden nicht nur sauber und artgerecht gehalten, sondern zudem tagtäglich mit drei Litern Bier und einer vierzigminütigen Massage verwöhnt. Vorbild sind die berühmten Rinder von Kobe, für deren zartes und schmackhaftes Fleisch japanische Gourmets bis zu 2.000 Mark pro Kilo zahlen.
Als Gastronomiekritiker getarnt, war Monsieur Dufraisse 1988 nach Japan gereist, um bei den Züchtern in Kobe ein bißchen Spionage zu treiben. Wenn die Jungtiere das dritte Lebensjahr erreicht haben, werden sie dort in Einzelställen mit Heu, Getreide und Bier ernährt, das sie direkt aus der Flasche trinken. Mit der Hand und mit Bürsten massiert man ihnen den Rücken, um die Muskeln zu kräftigen. Von Handarbeit wollte der Franzose allerdings nichts wissen. Der moderne Bauer arbeitet schließlich rationell. In Dufraisse' Stall wird die Massage von elektrisch betriebenen Bürsten besorgt, die nach dem Vorbild einer automatischen Waschanlage für Autos den Rücken und die Flanken der Tiere bearbeiten. „Glauben Sie mir, das gefällt denen. Die können gar nicht genug davon bekommen“, versichert der clevere Bauer, „nur an das Bier mußten wir sie erst langsam gewöhnen.“
Ab Montag bieten Pariser Luxusmetzgereien das „Boeuf de Coutancie“ an. Der Preis ist zwar nicht so astronomisch wie in Japan, aber immerhin wird das Rindfleisch nicht unter 600 Francs (180 Mark) zu haben sein. Doch die Franzosen, die für ihre berühmten Festgelage an Weihnachten und Silvester keine finanziellen Opfer scheuen, dürfte dies nicht schrecken. Karl Wegmann
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