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Archiv-Artikel

NEUES DENKEN Sehen mit Power-Klick

Wenn jemand nichts sehen kann, weil er blind ist – vielleicht kann er dann seine Umgebung hören? Mit diesem neuen Gedanken versuchen seit einiger Zeit Blinde in aller Welt, ihre Umgebung mit dem sogenannten Klicksonar zu orten. Dabei gibt die Zunge ein geschnalztes Klick von sich, und das Ohr erkennt anhand der zurückgeworfenen Echos, wie die Umgebung aussieht.

Die zurückgespiegelten Schallwellen lösen im Gehirn ein Sehen-ähnliches Phänomen aus, ein recht differenziertes dreidimensionales Bild der Umgebung. Und das schon nach wenigen Wochen Übung. Die Ortung reicht von etwa einem halben bis zu 200 Meter weit.

Tiere wie Fledermäuse oder manche Fische beherrschen dies perfekt, aber auch der Mensch kann es besser als gedacht. Die Technik wird vom Verein Anderes Sehen e. V. in Deutschland verbreitet. Etwa 300 Menschen in Deutschland sind in der Technik unterrichtet – Frühförderer, Eltern, Mobilitätstrainer und Blinde von 1 bis 44 Jahren. In Österreich führt es die Regierung auf breiter Basis ein, in der Schweiz gibt es erste Workshops.

Am 9. Oktober wurden sie dafür beim bundesweiten Innovationswettbewerb „Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet. Es handelt sich um einen hinten am Gaumen erzeugten Power-Klick mit offenen O-Lippen. „Erfahrene Anwender können mit Klicksonar sogar Baumarten voneinander unterscheiden und Autoformen benennen (Limousine, Kombi)“, schreibt der Verein. „Schon Anfänger können im Bus leere Sitzplätze finden oder den Weg zwischen parkenden Autos und Häusern geradeaus laufen, ohne an Briefkästen oder Laternenpfähle zu stoßen.“

Es funktioniert nur, wenn die Zunge schnalzt, nicht wenn ein Stock schlägt oder ein technisches Gerät am Gürtel die Laute erzeugt. Offensichtlich, weil es auf die feste interne Verbindung von Zungenraum und Ohr ankommt bei der Ortung.

Der Verein, gegründet 2011 von Ellen Schweizer und Steffen Zimmermann, ermöglicht Blinden mehr selbstständige Mobilität. Er ist auch im Finale zum Deutschen Engagementpreis. Wer abstimmen will: www.deutscher-engagementpreis.de