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Archiv-Artikel

NATÜRLICH NICHT WEGEN DER WEIBER Die sterbende Fledermaus

LIEBLING DER MASSEN

ULI HANNEMANN

Es ist ein offenes Geheimnis: Ja, ich betreibe Yoga. Auch wenn ich das in der Regel verschweige, weil ich wenig Lust verspüre, schlafende Hunde zu wecken. Denn „Yoga? Du?“, höre ich da doch schon vor meinem geistigen Ohr, „Du jehst doch da nur wegen die Weiber hin, du Schlingel!“ Das ist typisch. Und viel zu kurz gedacht.

Zwar genieße ich die koedukative Atmosphäre in einem Raum voll entspannter Frauen, die noch dazu nicht sprechen. Oft bin ich nämlich der einzige Mann, was unbestrittene Vorteile hat, denn Sport mit Männern ist oft anstrengend: Immer muss einer der bessere sein, immer muss einer gewinnen. Was beim Yoga gar nicht so einfach ist. Außerdem kann ich mich schlecht entspannen, wenn ich jederzeit damit rechnen muss, dass eine Balanceübung auf einem Bein von so einem echten Sportsmann dazu ausgenutzt wird, mich brutal von hinten umzugrätschen.

Aber natürlich gehe ich nicht „wegen die Weiber“ da hin. Denn man kann beim Yoga, wie gesagt, nur schwer gewinnen, doch dafür umso mehr verlieren: Die Balance, die Contenance, das Gesicht. Jede sieht auf Anhieb, wie ungelenkig ich bin. Abzüge in der A-, B- und C-Note.

Während die naturgeschmeidigen Damen sich ohne Hilfestellung mit den Zehen in den Ohren pulen, heißt es exklusiv für mich schon bei jeder einfachen Kniebeuge: „Uli, wir schieben dir besser mal acht Klötze unter und schnallen dich mit einem Gurt an der Decke fest, damit du hier nicht alle umschmeißt wie die Dominosteine!“ Der verheerende Eindruck wird kaum von der Restniedlichkeit gemildert, die der Anblick eines hilflosen, wie ein kaputtes Auto ohne Reifen über der Grube aufgebockten Typen in Turnhose bietet, der in einem fort ächzt, stöhnt, schwitzt und flucht.

Mit meinem Karma eines plattgefahrenen Igels konzentriere ich mich daher lieber auf die Asanas, wie die Turnübungen auf Indisch heißen. Wir üben Sonnengruß und Regengruß, Adler, Hund und Taube – man beachte, welch auffällige Parallelen die indogermanische Verbindung hier zu Fahr- und Flugzeugtypen der (Bundes-)Wehrmacht ausprägt. Doch auch die Frauen bleiben gerne unter Niveau: Es geht darum, die „sterbende Fledermaus“, eine ultimative Partnerübung als Krone der Erleuchtung, so weit wie möglich hinauszuzögern. Die Vorstellung, wie eine zierliche Zwergin, die halb so viel wiegt wie ich, versucht, mich an meinen schweißnassen Beinen kopfüber aus dem Fenster im vierten Stock der Yoga-Etage „Last Exit Ayurveda“ zu hängen, zaubert ein verzweifeltes „Omm? Ommm? O Mann …“ auf meine Lippen. Zum Glück kann ich mich hier auf meine Mitschülerinnen verlassen, denn keine von uns hat Lust, das Nirvana schneller kennenzulernen als unbedingt nötig. Die Schlussentspannung ist das Beste. Schawarmasana. Das einzige Asana, bei dem ich nicht in irgendeiner Form fixiert, angeschraubt oder kielgeholt werde. Man muss einfach nur daliegen und möglichst fest an das Frühstück, zu erledigende Arbeiten und die Einkaufsliste denken.

Ein Glöckchen klingelt zum Zeichen, dass die Einkaufsliste nun mal langsam stehen sollte. Abschließend beschwören wir die Zähigkeit der Gedanken, die Schnelligkeit der Worte und die Härte der Gefühle mit einem einzigen Wort: „Namaste“. Nicht-Yogis würden an dieser Stelle sagen: „Feierabend.“ So ist es …