NATALIE TENBERG ÜBER HABSELIGKEITENWAS HILFT GEGEN KÄLTE? EINE WÄRMFLASCHE UND EIN WOLLPULLI REICHEN JEDENFALLS NICHT : Wenn die Fingerkuppen blau anlaufen
Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei
Freitag David Denk Fernsehen
Montag Susanne Klingner Die Farbe lila
Dienstag Martin UnfriedÖkösex
Mittwoch Kübra Yücel Das Tuch
Er ist groß und breit, wenn ich meinen kalten Rücken an seinen lehne, spüre ich seine Rippen, höre seine glucksenden Geräusche und kuschele mich näher an ihn heran. Seit vorgestern nämlich läuft die Heizung bei uns im Mehrfamilienhaus und der Jugendstilradiator im Wohnzimmer strahlt seine mir sehr behagliche Wärme aus.
Also nur so viel wie ankommt, denn erstens wurde das ganze Ding im Laufe seines langen Lebens schon so häufig mit Lack überpinselt, dass fast gar nichts mehr zu sehen ist vom zarten Rosenmuster auf den vielen hohen Rippen. Zweitens fällt die Heizung bei uns im Haus recht häufig aus, der Druck der Anlage im Keller sinkt und im vierten Stock erreicht uns nur noch Luft, unsere mies bis gar nicht isolierte Altbauwohnung kühlt sofort aus.
Ich verdrücke in solchen Momenten gerne ein paar Tränen der Frustration und pflege inzwischen mit allen Angestellten der von der Hausverwaltung bevorzugten Installationsfirma ein herzliches Verhältnis, wir sehen uns eben häufig, auch an Sonn- und Feiertagen.
Wenn Sie zu der Fraktion derer gehören, die prinzipiell niemals vor Oktober auch nur einen Finger an ihren Heizkörper legen, dann den ganzen Winter bei 18, 19 Grad leben und sich einen dicken Pulli anzögen, wenn Ihnen kalt würde, das aber gar nicht nötig ist, weil Ihnen niemals kalt wird, höchstens etwas frisch, dann werden Sie wenig Verständnis für meine Probleme haben. Wahrscheinlich haben Sie sich schon in wenigen Sekunden einen Eindruck meiner grottenschlechten CO2-Bilanz gemacht. Das habe ich auch schon. Doch leider neige ich selbst in kühlen Sommernächten zum Frösteln, meine Fingerkuppen werden ganz schnell blau und meine Nase beginnt zu laufen. Mein inneres Thermostat scheint defekt, ich kenne nur den Zustand „tropisch“ oder elend, dazwischen gibt es nichts. Freilich machte auch ich mir Gedanken, wie ich es möglichst energiesparend heiß habe.
Also probierte ich es mit einem Wollpulli. Mir würde zwar um die Nieren herum etwas wärmer, aber der Rest des Körpers fror noch stets, und gekratzt hat der Pullover auch, trotz des Versprechens, allein aus Kaschmir zu sein. Ich schwenkte um auf warme Getränke. Es brachte nichts. Die Wärmflasche linderte meine Leiden nur punktuell. Ich kaufte sogar mit Chemikalien gefüllte Plastiktäschchen, die, wenn man sie knickte, Hitze entwickelten. Ich badete, danach war mir nur noch kälter, ich joggte und bekam Schnupfen. Selbst hochschwanger fror ich in meinem eigenen Zuhause. „Deine Wohnung ist fußkalt“, bemerkte ein Kollege, ich zog Pantoffeln an. Nichts zu machen, ich leide noch immer, vor allem in den ersten Herbsttagen, wenn die Zentralheizung noch nicht läuft.
„Es könnte schlimmer sein“, beruhige ich mich. Mir sind Fälle bekannt, in denen eine Hausverwaltung die Heizung zwischen elf Uhr abends und sechs Uhr morgens ganz ausschaltet, ohne dass irgendein Gesetz dies verbietet. Deshalb pflege ich das, was ich habe. Entlüfte im Winter fast täglich den großen Radiator, und wenn er warmläuft und nur noch leise gluckst, dann lehne ich mich gegen ihn und weiß, dass der Sommer vorbei ist.