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NACHRUFFrankreich trauert: Yves Montand ist tot

■ Der „große Gentleman“ war alles: Italiener und Franzose, Sänger und Schauspieler, Kommunist und Reagan-Fan

Berlin/Paris (taz/wps) — Eigentlich lautete sein Name Ivo Livi, geboren am 13. Oktober 1921 als Sohn eines italienischen Bauern in Florenz. Doch als er am vergangenen Samstag nach zwei plötzlichen Infarkten in einem Pariser Krankenhaus starb, hieß er Yves Montand und war ein Teil der französischen Seele.

Frankreichs Rundfunk- und Fernsehanstalten unterbrachen ihr Programm, als am Samstag nachmittag der Tod des großen Chansonniers und Schauspielers bekannt wurde. Die Nation begab sich in eine kollektive Trauer; stundenlang erklangen auf allen Kanälen Lieblingslieder wie Les feuilles mortes, C'est si bon oder Le temps des cerises. Und die unpopuläre Premierministerin Edith Cresson sagte über den geliebten Star: „Er wird ein Symbol unserer Kultur bleiben.“

Nicht nur sein weicher Bariton, auch seine romantische Lebensgeschichte und sein wohldosiertes politisches Bewußtsein hat Yves Montand zu einem Liebling der FranzösInnen gemacht. In früher Kindheit floh seine Familie aus Italien nach Marseille, wo er in Teigfabriken und Frisörläden arbeitete und zum aufrechten Kommunisten heranwuchs. Sein rapider Aufstieg als Entertainer in den 40er Jahren führte ihn durch mehrere prominente Liebschaften — unter anderen mit Edith Piaf, Marilyn Monroe und Simone Signoret, mit der er 37 Jahre lang verheiratet blieb bis zu ihrem Tod 1985. Nikita Kruschtschow empfing die beiden im Jahre 1956 mit einem Protokoll, wie es sonst nur Staatsoberhäuptern zuteil wurde. In dieser Zeit erlebte Montand den Gipfel seines Ruhms. Gegen Ende der 60er Jahre hatte er seinen endgültigen Platz in der Ahnengalerie großer französischer Künstler eingenommen, und nach der Niederschlagung des Prager Frühlings brach er schließlich mit dem Kommunismus. In den 80er Jahren, passend zur herrschenden Pariser Mode, mauserte sich der alternde Sänger schließlich zum Verteidiger der nuklearen Aufrüstung und Anhänger Ronald Reagans.

Ideologisch wie schauspielerisch folgte der dunkle, schlanke Star mit Honigstimme und Segelohren immer dem Wandel der Zeiten. Zur politischen Lebensgeschichte paßt nahtlos der Weg von den frühen Liebesfilmen wie Etoile Sans Lumière mit Edith Piaf über politische Thriller wie Costa Gavras' Z bis jüngst zu den Pagnol-Heimatfilmen Jean de Florette und La Manon des Sources. Meinungsumfragen vor den Präsidentschaftswahlen von 1988 gaben ihm für den Fall einer Kandidatur 29 Prozent — weit vor allen Politikern außer Fran¿ois Mitterrand.

„Die subtile Geste, die warme, streichelnde Stimme, das spöttische Augenzwinkern, dem so wenige Frauen widerstehen können“ — so und ähnlich himmelte Frankreich sein Wunderkind vergangener Zeiten an. Vor drei Jahren eroberte er sich noch einmal die Herzen des Publikums: Aus zweiter Ehe bekam der 67jährige einen Sohn. Bis zuletzt staunten die Medien über den Rentner, der morgens seinen Jungen zum Kindergarten brachte und nachmittags mit seinen Nachbarn Boules zu spielen pflegte. Er blieb auch künstlerisch aktiv. Zum Zeitpunkt seines Todes arbeitete er mit dem Regisseur Jean-Jacques Beineix an einem neuen Spielfilm, und im Frühjahr 1992 plante er eine Konzerttournee.

„Ich habe einen guten Nachbarn verloren“, sagte ein Pariser Freund am Samstag abend dem französischen Fernsehen. „Aber Frankreich ist um einen großen Gentleman ärmer.“ D.J.

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