■ NACHGEKLAPPT: "BODHI DHARMA" IM CINEMA: Lichtnutzlehre Funkenflug
Es ist möglich, Bilder herzustellen, die gar kein Gewicht mehr haben, so daß, wer sie anschaut, das Zappeln eines Ertrinkenden sieht und zugleich: wie das Licht über die Wellen fliegt.
Sonst im Kino regiert eine funktionelle Harmonik: solange die Bilder sich im gewohnten System der Einstellungen, Schnittfolgen aufhalten, folgt ihnen ihre Bedeutung wie ein schwerer Schatten. In jedem Feuer flackert höhere Vernichtung. In dem Film „Warum Bodhi Dharma in den Orient aufbrach“, dem ersten Werk des Südkoreaners Yong- kyun Bae, ist ein Feuer ein Feuer.
Auf einem Berg leben: ein alter Meister und unerbittlicher Ideologe des Zen; sein skeptischer Schüler oder Krankenpfleger, wer weiß; ein verwaister Junge. Sonst pflegt das Kino jeder sozialen Szenerie ihre besten Geschichten entreißen. Yong-kyun Bae hat sieben Jahre dafür gebraucht, zu filmen, was, wenn man so sagen darf, sowieso passiert wäre: einer hält einen Stock ins Feuer, einer schaut aus dem Fenster, einer nimmt einen Stein und schmeißt einen Vogel tot.
Auf sehr vielen Ebenen ist „Bodhi Dharma“ ein wunderbarer Film, mit dem man nicht fertig wird. Ich sage nur zwei: Schnitt und Licht. Wir sehen Füße stapfen und Hände nesteln und Stücke Himmel und Geäst, eine Kuh glotzt heraus; alles ineinandergeschnitten mit ganz ungerührter Schärfe. Aber gerade die schmerzhaften Schnitte und die fremden Proportionen machen eine Geschichte fließen, an der alles von Belang miterzählt: auch die Pfütze auf dem Weg und das Weibchen des toten Vogels.
Vorübergehend ist auch die Zeit aus ihrem Ordnungsamt entfernt. Der Film schweift rückwärts, voran und quer; in seinem Fluß sind viele kleine Strudelchen inklusive. Überhaupt liebt er das Flüssige und auch Schall und Rauch und am meisten die Dämmerung, die transitorische unter den Tageszeiten.
Damit sind wir beim Licht. Sonst im Erzählkino modelliert es am Ende das Gesicht der Hauptdarstellerin auf das Weichste. Das ist der Gipfel seiner Karriere, höher geht es nicht. Hier im „Bodhi Dharma“ ist es zunächst nur da, und meist zuwenig davon. Dann ist Halbschatten, Nacht mit paar Lichtflecken. Oder es ist stumpfes Kaltlicht, oder nasses Nebellicht, oder es gleißt, oder es liegt glatt. Es ist düster oder eben noch glutwarm, oder es ist, wie wir alle einmal, nicht, bloß noch Funkenflug in Schwarz. Den ganzen Film lang können wir Licht aller Sorten schlemmen, und zugleich kommen wir kaum aus damit, ist die Orientierung schwer in immer neuen, oft nur eben halbwegs herausgeleuchteten Bildern.
Es ist nichts leichter, als es ist. „Bodhi Dharma“ ist, ganz nebenbei, auch eine kleine Lichtnutz- Lehre. Manfred Dworschak
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